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Der Kolkrabe

Paredion Eldariel wusste schon als Empyrea sich in ihr Seelentier verwandelte, dass auch er ihr bald folgen würde. Die Seelen der beiden Waldelfen sind verbunden und wenn einer der Partner stirbt folgt ihm der Andere bald unweigerlich. Der schmerzliche Abschied von Empyrea ließ ihn nicht lange trauern, wusste er doch, dass sie bald wieder vereint sein würden. Die Liebe eines Waldelfen überdauert sogar den Tod. Nachdem er sich vom Sala von Yew verabschiedet hatte wurde er wieder glücklicher.

In froher Erwartung und frei von Furcht bat er den jungen Waldelf Eladiel für Paredion sein Werk fortzusetzen, wenn er es könne und wolle. Er überreichte ihm seinen Druidenstab in der Hoffnung Eladiel würde er eine Stütze sein, wenn Paredion ihm nicht mehr aktiv helfen konnte. Vor einiger Zeit erschuf Paredion den Stab aus Zedernholz und seiner Seele. Ein Teil von ihm würde damit immer bei Eladiel sein.

Nachdem Paredion aus dem Windemere Wald zurückgekehrt ist hob er ein Grab unterhalb des Yewbaums, welcher als Aigy für Empyrea und Paredion diente. Er wusch Empyreas Leib und wickelte ihn in saubere Tücher ein. Mit einem druidisch verzauberten Samenkorn in ihren Händen auf ihrer Brust bettete er die sterbliche Hülle der Waldelfe zur letzten Ruhe und schloss ihre Lieder mit seiner Hand. Ihr Löwe Pangur Ban wurde an ihre Seite gelegt zusammengerollt mit dem Kopf in ihren Schoß als würde er bei ihr Schlafen, wie er es so oft tat. Natürlich wusste Paredion, dass weder Pangur Ban noch Empyrea dort schliefen. Sie hatte sich längst in einen Adler verwandelt und würde sicher bald ein Stern an Alasiors Sternenhimmel werden. Er hoffte Eladiel würde Paredions sterbliche Hülle ebenfalls unter dem Yewbaum an Empyreas Seite im feuchten, lebenden Boden von Yew beisetzen, wenn bald seine Seele den Körper verlassen haben wird.

Das druidisch verzauberte Samenkorn in Empyreas Hand wird Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende schlummern können und wird erst keimen, wenn der mächtige Yewbaum über ihrem Grab vermodert und zerfällt. Bis dahin werden ihre Gebeine zu Staub und Salz zerfallen sein. Möglicher Weise dauert es noch Jahrhunderte und nur noch die ältesten Lairfeya werden sich an die beiden erinnern können, aber die Spuren, welche sie in ihren langen Leben hinterlassen haben werden noch viele Menschenleben überdauern, auch wenn man genau hinsehen muss. Als Paredion sich vom Sala verabschiedet hatte ging er beinahe glücklich wirkend, wenngleich auch um viele Jahrhunderte im Blick gealtert aussehend, zur Blumenwiese von Yew. Obwohl sich seine hübsche, kleine Seltsamkeit, wie er gerne Empyrea nannte, nicht aussuchen konnte wo sie ihren Körper verlassen würde, wusste Paredion, dass sie sich wohl für jenen Ort entschieden hätte.

Die Sonne ging gerade über den Baumwipfeln des dichten Urwalds von Yew auf. Keine Wolken am Himmel. Es versprach ein schöner, sonniger Sommertag zu werden. Für diesen letzten Gang hatte er seine liebsten Gewänder herausgesucht. Eine Lairfeya Lederhose und passende Sandalen, die er noch aus seiner ursprünglichen Heimat weit im Osten mitgebracht hat. Dazu trug er den majestätischen Umhang aus braunem Gewebe mit dem edlen Pelzfutter auf der Innenseite und den schwarzen Rabenfedern am Kragen über dem nackten Oberkörper. Dieser Umhang war ein Geschenk von Empyrea.

Ein letzter poetisch-druidischer Elfenruf als Abschiedsgruß wurde von den Blättern durch den Wald getragen:

„Steht nicht an meinem Grab und weint, ich bin nicht da, nein ich schlafe nicht. Ich bin eine der tausend wogenden Wellen des Sees, ich bin das diamantene Glitzern des Schnees, wenn ihr erwacht in der Stille am Morgen, dann bin ich für euch verborgen, ich bin ein Vogel im Flug, leise wie ein Luftzug, ich bin das sanfte Licht der Sterne in der Nacht. Steht nicht an meinem Grab und weint, ich bin nicht da, nein ich schlafe nicht.“

Auf der Blumenwiese wurde er von den Bewahrern alleine gelassen. Man erlaubte ihm sich in die Einsamkeit zur Meditation zurückzuziehen. Und bis zum späten Nachmittag hatte er sich in sein Seelentier, den Kolkraben, verwandelt. Empyrea schien bereits auf ihn am Waldrand zu warten. Abends dann kreisten Adler und Rabe gemeinsam über den Himmel von Yew bis die Nacht hereinbrach und darüber hinaus. Und in einigen Tagen würden zwei neue Sterne an Alasiors Sternenhimmel beieinander strahlen und denen, welche auf Sossaria zurückgeblieben sind ein wenig das Dunkel der Nacht erhellen.

rollenspiel/geschichten/der-kolkrabe.txt · Zuletzt geändert: 2023/04/12 13:02 von 127.0.0.1