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Das Bildnis der Füchsin

Aliena Geralddotir erwacht. Verschwommen erblickt die jugendliche Nordfrau ihr nähstes Umfeld dicht am Erdboden, auf dem sie liegt. Es ist warm, sogar ziemlich warm und eine sommerliche Brise pustet ihr durch das Haar. Sie liegt in einer Wildblumenwiese, wie sie bald realisiert. Das Gras ist jedoch sehr hoch, denn als sie aufsteht reicht es ihr bis unter das Kinn. Es steigt ihr der Geruch von frischen Pflanzen in die Nase und sie hört die Laute von wilden Tieren und Insekten in der näheren und ferneren Umgebung. Meist fremder Vogelgesang, das zirpen von Heuschrecken und das Summen geflügelter Insekten. Aliena ist verwirrt. Eben gerade war sie doch noch daheim im mütterlichen Haus auf der Eisinsel. Um mehr zu erkennen schiebt sie sich das Gras vor ihrem Gesicht zur Seite und fällt bei dem Versuch prompt auf die Nase. Was ist hier los? Fragt sie sich innerlich. Warum konnte sie so leicht das Gleichgewicht verlieren? Sie rollt sich auf die Seite und erblickt ihre Vorderpfoten mit einem Schreck. Sie zappelt mit allen Vieren, gerät dabei mehr oder weniger auf den Rücken und erkennt über sich den wolkenfreien, blauen Himmel und die strahlende Sonne. Aliena ist nicht schwer von Begriff. Gleich danach erkennt sie, dass sie nicht mehr im Eisdorf ist und dass sie die Gestalt einer Füchsin angenommen hat. Es fühlt sich seltsam natürlich an, als sie ihre Pfoten nacheinander prüft und natürlich auch besonders neugierig einen Blick nach hinten zu ihrem plüschigen Schweif wirft, dessen feines rotes Haar sich herrlich im Wind bewegt, als sie diesen testweise nach links und rechts wedelt. Sie stellt sich wieder auf alle Viere, schüttelt die herumfliegenden Grassamen und den erdigen Staub von sich und schiebt ihren kleinen, geschmeidigen Fuchskörper durch das Gras. Die Richtung? Geradeaus. Sie kennt sich hier sowieso nicht aus, aber dort vermutet sie den Rand der Wiese, obwohl dieser auch genauso gut in jeder anderen Richtung liegen könnte. Schon nach einer Minute kommt Aliena an einen ebenfalls mit dichter, saftiger Wiese bewachsenen Abhang. Es fliegen zahlreiche geflügelte und andersartig flugfähige Samen und Nüsschen an ihrem Gesicht vorbei. Am unteren Ende des Abhangs befindet sich ein Bachlauf und flacher, glänzender Teich vor dem Saum eines dichten, grünen Waldes. Der Anblick kommt Aliena merkwürdig vertraut vor. Wenngleich aus einer anderen Perspektive, erlauben die geographischen Landschaftszüge eine Orientierung. Der Blick hinter sich bestätigt ihren Verdacht. In der Ferne ragt der vertraute Gebirgszug des Drotsch in den Himmel, aber er ist bis auf die höchsten Gipfel völlig bewaldet und ohne Eis, jenseits des Waldes unterhalb des Abhangs sieht sie die Küste. Sie befindet sich oberhalb des gefrorenen Teichs nordwestlich des Eisdorfes, aber dort wo man das Eisdorf von hier aus sehen würde ist nur noch mehr Wald, Dünen und Sandstrand. Plötzlich raschelt das Gras hinter Aliena. Mit einem Satz wendet sie sich in Richtung des Geräuschs, fletscht die Zähne und macht sich so groß, wie sie kann. Mit dem kindlichen Lachen eines Mädchens, gefolgt von einem spielerischen Kampfschrei „Aaaahahaha!“ wird Aliena pfeilschnell von einem anderen Fuchskörper angesprungen, erfasst und den Abhang heruntergestoßen. Beide kullern hinunter bis in den Teich. Platsch! Sie fallen beide ins klare, kühle Wasser. Aliena kann nicht schwimmen. Weder als Nordfrau, noch als Füchsin. Panisch paddelt sie mit den Pfötchen und versucht ihre Schnauze angestrengt über dem Wasser zu halten. Man kann Aliena den Schrecken deutlich ansehen. In ihrer Aufregung bekommt sie nicht mal mit, dass die andere Füchsin nur zwei oder drei Meter neben Aliena im Wasser steht und der Teich derart flach ist, dass ihr das Wasser, von ein paar Wellen, die Aliena mit ihrem unbeholfenem Hundegepaddel schlägt, kaum bis zum Bauch reicht. Heiteres Gelächter und Häme lassen nicht auf sich warten: „Du kannst hier stehen. Das Wasser ist ganz flach.“ lacht sie quietschfidel, aber das stoppt abrupt als sie mitansieht, wie sich Aliena keuchend ans nächste Ufer schleppt und so tief und schwer atmet, als wäre sie kurz vor dem Ersticken gewesen. Alienas Versuch irgendetwas zu sagen verliert sich folglich in einem Hustenanfall. „Oh, du armes Ding“ sagt sie zu Aliena ohne Sarkasmus in vollem ernst. „Hab ich dir wehgetan, mein Kind?“ Die Füchsin kommt aus dem Wasser und schüttelt sich das Fell trockener. So strahlend blaue Augen hat Aliena noch nie gesehen und manchmal scheint es als würden sie golden aufblitzen. Aliena kann sprechen, wenn sie es will, aber als sie das Spritzwasser der anderen Füchsin abbekommt, weil diese sich das Fell ausgeschüttelt hat, tut sie es ihr erst mal gleich und schüttelt sich ihren eigenen Pelz von der Schnauze bis zur Schwanzspitze aus. „Ich wollte nur mit dir spielen und hatte nicht vor dich so zu erschrecken, Aliena.“ Die Füchsin streift um Aliena herum und schaut sie sich an. Aliena erkennt die andere Füchsin als ihr Stammestotem wieder. „Du musst dich nicht rechtfertigen. Aber warum hast du mich hergebracht? Und wo ist hier?“ „Ich weiß, ich brauche mich vor gar niemandem zu rechtfertigen. Niemals.“ Antwortet sie gespenstig-arrogant, dass es einem einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen vermag. „Du bist hier auf der anderen Seite des Spiegels, in meinem Reich.“ Als sie das sagt flattern zwei Schmetterlinge mit blauen Flügeln zwischen beiden vorbei. Die Zeit scheint langsamer zu vergehen und für einen Moment bewegen sich die Schmetterlinge in atemberaubender Zeitlupe, ebenso wie die Bäume und Gräser sich langsamer im Wind bewegen und alles andere, abgesehen von den beiden Füchsinnen, sich in einer anderen, langsameren Zeit zu befinden. Die Augen der Füchsin blitzen kaum merklich mit einem Wimpernschlag goldfarben auf, kurz nachdem sie ausgesprochen hat und alles bewegt sich wieder im gewohnten Tempo. Sie zieht etwas von der warmen, sommerlichen Luft durch die Nase und spricht weiter: „Und du verliest ja wirklich keine Zeit.“ Aliena legt ihre klatschnassen Fuchsohren an und macht sitzt. „Meine Arbeit versorgt sehr viele Leute im Dorf. Ich bin nicht gerne untätig.“ Sie bewegt den schweif von einer Seite auf die andere. „Aber das musst du Alles wissen.“ „Ach Süße, jetzt entspann dich mal! Und aye, deine Arbeit gefällt mir. Darum habe ich dich auch hergerufen. Der Altar, den du gebildhauert hast wird viele Jahrhunderte bestand haben.“ Geschmeidig gleitet sie durch das hohe Gras an Aliena vorbei, sie mit dem plüschigen Schwanz unterm Kinn entlangstreichelnd. Sie hält hinter Aliena kurz inne, schaut nur mit den Augen richtung Schulter, lauscht ob Aliena reagiert und macht dann einen Satz auf einen großen, dicken, umgekippten Baumstamm, spaziert darauf wie eine Katze einmal auf und ab und legt sich dann darauf hin. Im Hintergrund ist der Wald. Aliena antwortet: „Er war für dich gedacht. Ich tat das Beste, das mir möglich war.“ Sie streckt kaum merklich die Brust vor ob ihres Kompliments, passt aber höllisch auf nicht in grinsen aus zu brechen. Aliena geht auf ein Grasbüschel zu und fängt an sich das Fell wieder trocken zu reiben. Ob Alienas tapsigen Verhaltens bricht der Geist in etwas heiteres Gelächter aus. Wie Aliena so am boden liegt kann sie hinter der Füchsin ein Stückchen tiefer im Wald etwas glänzen sehen. Beide werden bei dem warmen Wetter schnell wieder trocken, aber Aliena findet erstaunlich schnell gefallen an ihrer neuen Fuchsgestalt. Am Bachsaum gibt es ein paar sandige Uferstellen. In einer davon suhlt sie sich mit Wonne. Dabei fragt sie beiläufig den Geist: „Was leuchtet da drüben? Machst du das?“ Als sie sich wieder auf den Bauch gerollt hat und auf die Antwortet wartet, lässt Aliena das linke Ohr runterhängen, während das Andere gerade steht. „Das ist meins!“ antwortet sie Aliena entschieden, aber fügt dann gastfreundlicher hinzu: „Willst du es sehen?“ „Aye, nur zu. Ich folge dir.“ „Ich bin schon da.“ schallt es heiter aus dem Wald. Aliena war als wäre die Füchsin doch eben noch auf dem Baumstamm gewesen. Aliena schaut einen Moment zu der Stelle, an der die Füchsin eben noch gesessen hat und macht dann einen Satz über den Baumstamm in Richtung des Waldes. Im Wald wird es totenstill, sehr dunkel und stickig. Das dichte Blätterdach lässt wenig Licht hindurch. Am Boden wachsen wenig Pflanzen, er ist erdig-braun, trocken und fühlt sich unter Alienas Pfötchen angenehm warm an. Die Bäume sehen viel dicker und älter aus als sie es auf der Eisinsel in ihrer Heimat sind. Auch sind es hier meist Laubbäume, seltsame Arten, die sie nicht immer kennt. Das Holz knarzt an einigen Stellen und durchbricht die Stille unheimlich. Vor Aliena, etwas tiefer, wo sie das Glänzen gesehen hatte, ist eine Lichtung im Blätterdach. Es ist nur ein kleiner Fleck von ein oder zwei Metern Durchmessern. Aus jener Richtung kam auch der Ruf der Füchsin. Wieder ist ihre glockenreine Mädchenstimme zu hören. „Hier drüben, Aliena!“ Die Füchsin scheint auf einer Art schimmernden, schwarzen Felsbrocken zu stehen und macht einen freudig-aufgeregten Eindruck. Aber Aliena schaut fasziniert zur Öffnung im Blätterdach und bewegt sich nur noch ganz langsam und vorsichtig zur Lichtung. Einen Meter vom Brocken entfernt bleibt sie stehen und schaut zur Füchsin hinauf. „Was ist das hier für ein Ort? Ich habe solche Bäume noch niemals gesehen. Die würden für dutzende Drachenbote reichen.“ „Was die Bäume angeht, kannst Du gar keine Drachenboote daraus machen.“ Sie streckt ihr die Zunge raus, grinst und spricht dann begeisternd weiter: „Das hier ist meine Balronstatue. Sie ist aus Obsidian. Gor Hranisson hat sie mir geopfert. Ist sie nicht wunderschön?“ Schwärmt sie davon, streift der Statue über die Schultern und streichelt diese mit dem Schwanz dabei liebevoll, bis sie unten auf dem Boden ankommt. Die Statue ist mit Brombeeren teilweise zugewachsen, es liegt eine sehr feine, dünne Staubschicht aus brauner Erde und Sand auf der Oberfläche und selbst sauber mag sie im Auge der meisten Betrachter eher hässlich sein. Sogar sehr hässlich, aber der massive Brocken aus dem sie geschlagen wurde ist wahrscheinlich reines Obsidian und sagenhaft wertvoll. Die Füchsin stockt ein wenig, weil sie jetzt wo Aliena wieder trocken ist bemerkt, dass sie in Fuchsgestalt nicht nur ebenso schlank wie sie selbst, sondern auch ein vergleichbar schönes Fell hat. Für einen Moment kann Aliena einen missfallenden, eifersüchtigen Blick bei der Füchsin bemerken. Und obwohl es nur Augenblicke andauert vermag es selbst einem gestandenen Nordmannkrieger eine Gänsehaut zu verursachen, wenn man diesen Geist so schauen sieht. „Ah, ein Balron. Jetzt erkenne ich es auch.“ während sie spricht zieht sie etwas die Brauen hoch und versucht vergebens ehrlich zu klingen als sie das hässliche Ding betrachtet. Als sie den Blick des Totems bemerkt wird sie jedoch ganz still und der eben noch aufgestellte Fuchsschweif sinkt auf den staubigen Boden. „Obsidian ist sehr wertvoll und Gor wusste das.“ Ergänzt Aliena. Die Füchsin scheint sich richtig daran zu ärgern, dass Aliena auch eine hübsche Füchsin ist. Richtig unterdrücken will oder kann sie ihre Gefühle nicht und spricht nun etwas ernster. „Die Zahl der Dorfbewohner mit fremden Totemgeistern ist wieder gewachsen. Ich, als Schutzgeist des mächtigsten Stammes deiner Zeit, verlange von dir, dass du meine identitätsstiftende Kraft durch Erkennungszeichen für alle Stammesmitglieder, die mich verehren unterstreichst. Fertige Schmuck an, der mein Antlitz trägt. Halsketten, Armbänder, Fußspangen, Ringe,.. du kennst das ja. Mein Abbild soll den Dorfbewohnern ständig vor Augen geführt werden und damit auch mein Herrschaftsanspruch.“ Sie macht eine kurze Pause. „Und lass mich nicht pummelig aussehen.“ Bei diesen Worten ist es schwer abzuschätzen, ob es die Füchsin ernst oder spaßig meint. „Ich kann Schmuck herstellen wie du es willst, aber ich weiß nicht ob ich die Männer des Dorfes bewegen kann ihn zu tragen.“ „Wieso nicht? Sag ihnen einfach, dass ich es euch befehle. Sie werden dir glauben. Ein Nordmann lügt niemals.“ Sagt sie heiter. „Und wenn es doch Schwierigkeiten gibt, bin ich sicher, dass du genügend Überzeugungskraft besitzt.“ Plötzlich strahlt ein gleißend-hellses weiß-goldenes Licht aus den Zwischenräumen der Bäume und Blätter, der Wald wird heller und das Licht scheint alles zu verschlingen. Bald scheint Aliena mit der Füchsin allein auf einer weiß-golden leuchtenden leeren Fläche zu stehen und selbst sie beide verschwimmen kurz darauf bis alles vom Licht verschluckt wurde. Aliena erwacht zum Ruf des Hahnes in ihrem Schlafplatz zuhause im Haus ihrer Mutter. Ihr Totemgeist hat sie ohne ein Widerwort zuzulassen heimgeschickt.

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