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Afsgard und Tosamiel

Die Abenteuer von einem Magier und einem Zwerg die viele Leute kennen lernten und eine Hexe trafen…

Auf einen Marktplatz eines Dorfes spielen Kinder. Die Mädchen spielen mit Holzreifen, die Jungen spielen Verstecken oder das alte Knochenwurfspiel der Römer. Ein alter Mann mit einem Korb in der Hand setzt sich auf eine Bank am Brunnen, der mitten auf dem Platz steht, und beginnt Eier, die in seinem Korb liegen, zu sortieren. Eines der jüngeren Mädchen, das die Älteren gerade nicht mitspielen lassen, sieht den alten Mann, läuft auf ihn zu und baut sich etwas verschüchtert, mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor ihm auf. Zaghaft sagt sie „Hallo“ und dreht sich dabei etwas nervös hin und her. „Oh, die kleine Ranira“ sagt der Alte lächelnd „Komm, setz Dich auf meinen Schoß.“ Darauf hatte das kleine Mädchen anscheinend gewartet und setzt sich sofort auf das Bein des Alten. „Was hast Du da in dem Korb?“ fragt sie neugierig. „Eier“ antwortet der Alte „Eier und ein paar der ersten Heidelbeeren dieses Jahres. Willst Du welche?“ Mit vor Freude roten Backen nickt die Kleine und er gibt ihr eine handvoll Beeren aus einer Ecke des Korbes. Einer der etwas älteren Jungen entdeckt die beiden und ruft: „Schaut, der alte Gorz ist da! Ranira ist schon bei ihm!“ Und der Ruf ist noch nicht verhallt, da eilen schon die meisten Kinder zu dem Alten und der Kleinen und sammeln sich um sie. Einer der Jungen, etwas schmal, aber anscheinend pfiffig, geht einen Schritt vor und sagt: „Gorz, erzähl uns eine Geschichte.“ „Ja, eine Geschichte bitte!“ wird die Aufforderung sofort ein paar Mal wiederholt. „Aber Kinder“ grummelt der Alte gespielt böse „Ihr wisst doch dass ich zu tun habe.“ und wirft im getäuschten Ärger ein Ei nach dem Jungen, der vorgetreten war. Geschickt fängt dieser es, ohne seine Schale auch nur anzuknacken. „Du wirst immer geschickter, Derius“ sagt der Alte und lacht. Da fassen die Kinder Mut und rufen nahezu allesamt „Alter Gorz, eine Geschichte! Ja bitte, erzähl eine Geschichte!“ „Nagut“ erwidert der Alte mit einer Geste, als würde er sich dem Folterknecht ergeben, und die Kinder setzen sich im Kreis um ihn herum. „Ich will euch eine Geschichte erzählen. Die Geschichte von einem weisen, aber seltsamen Magier, einem geschickten, aber verschlossenem Zwerg, wie sie sich kennen lernten und eine Hexe trafen.“ Die Augen nicht von dem Alten nehmend, setzen sich die Kinder in bequeme Positionen und lauschen gebannt. „Alles fing an als ein kleines Kind in einer Hütte eines kleinen Dorfes, so ähnlich wie unseres, vor langer Zeit geboren wurde. Die Umstände dieser Geburt schienen normal, doch wurden Adler gesichtet an diesem Tag, die sonst nie so weit vom Gebirge fliegen, Wölfe, die nie die dichten, dunklen Wälder verließen, wurden auf Feldern gesehen und eine Eule saß die ganze Zeit auf der Fensterbank. Aber niemand sah die Zeichen und Zusammenhänge. Geboren wurde ein kleiner Junge. Seine Mutter gab ihm den Namen Afsgard. Die ersten Lebensjahre dieses Jungen sind schnell erzählt. Er wurde der Brust entwöhnt, fing an zu krabbeln und zu sprechen und erlernte das Laufen. Er machte Streiche und spielte mit den Kindern des Dorfes. Er war ein normaler Junge mit einer normalen Kindheit, wenn man einmal davon absieht, dass die Tiere wenig Scheu vor ihm zu haben schienen und man immer wieder Vögel, Igel oder Hasen in seiner Nähe sah. Allerdings, je älter er wurde, desto mehr bekam er mit, dass die anderen Kinder ihn des Öfteren hänselten und ihn „Diebessohn“ oder „Hurenbrut“ nannten. Zuerst verstand er dieses nicht, doch einmal erzählte ihm einer der vielen Männer, die bei ihm Zuhause kamen und gingen, dass sein Vater vor seiner Geburt vom Herzog der Ländereien wegen Dieberei gehängt worden war. Ob dieses stimmte und was sein Vater getan hatte, hat Afsgard nie herausgefunden und es interessierte ihn auch nicht. Ausserdem ereigneten sich, je älter Afsgard wurde, immer öfter seltsame Zufälle um ihn. Kinder, die einen Stein nach ihm werfen wollten, wurden von einer herabsausenden Amsel an die Schläfe gepickt, anderen, die ihn schlagen wollten, drehte es den Arm auf den Rücken, ohne dass er sie berührte. Wenn mancher über ihn oder seine Herkunft lästerte, erstarrte ihm die Zunge mitten im Satz und wenn Afsgard mal wieder von seiner oft missgelaunten Mutter kein Essen erhielt, fand er manchmal auf seiner Fensterbank süße Früchte und nahrhafte Wurzeln des Waldes. Allerdings führten diese Vorkommnisse nicht dazu, dass er freundlicher von den Bewohnern des Dorfes angesehen wurde. Manche trauten sich zwar nicht mehr, ihn zu hänseln oder anzugreifen, aber hinter vorgehaltener Hand wurde über ihn getuschelt und die Kinder des Dorfes spielten nur selten mit ihm. -Ihr könnt euch vorstellen, wie schlimm so etwas ist, oder Kinder?“ Die Kinder im Kreis nicken einhellig und schauen gebannt und mitfühlend. Und als dann eines Tages“ fuhr der alte Gorz fort „Afsgard von einem der Männer, die zu seiner Mutter kamen, geschlagen wurde bis er blau und grün war und der Mann und seine Mutter lallend über den weinenden Jungen lachten, nahm er nachts still die wenigen Kleinigkeiten, die sein waren und verschwand in Richtung des Waldes. Niemand der Dorfbewohner glaubt, ihn jemals wiedergesehen zu haben und manche meinen, die Wölfe hätten ihn gefressen. Tatsächlich aber kam Afsgard in späteren Jahren einige Male in das Dorf zurück, tat gutes an den wenigen, die ihm manchmal geholfen hatten, in dem sie ihm eine Knifte trockenen Brotes zugesteckt hatten, wenn er wieder Hunger gelitten hatte oder ihm mal die filzigen Haare durchgekämmt hatten. Er rächte sich auch an denen, die ihn gehänselt hatten, in dem er sie für etwas, dass er feilbot, zuviel bezahlen ließ, oder in dem er ihr Glück oder Haus und Hof verfluchte. Auf diese Weise erfuhrt er auch, dass seine Mutter, nicht lang nachdem er fort gegangen war, von einem ihrer Männer wohl im Suff erschlagen worden war. Und er war froh darüber, denn so kam er nicht in die Versuchung, es selbst zu tun. Das war aber Jahre später, als er ein anderer Mensch geworden war. Nach seiner Flucht aus seinem Geburtshaus zog Afsgard durch die Wälder. Afsgard hatte nämlich magische Kräfte, müsst ihr wissen und die klügsten unter euch haben es auch schon erraten. Allerdings ist Magie keine Zauberei, muss ich euch sagen. Nunja, wie dem auch sei, Afsgard zog durch die Wälder und ließ sich von den Tieren zeigen, wie man in der Wildnis seine Mahlzeiten bekommt, lernte Geduld und Ruhe durch die Pflanzen und Bäume. Und Wind und Wolken erzählten ihm von der Welt und die Sonne von der Energie des Kosmos. Wie gesagt, Afsgard hatte magische Kräfte, aber das bedeutet nicht, dass er Steine rosa oder lila einfärben kann oder Dir, Phis, lange Ohren wachsen lassen kann. Nein, das heißt nur, dass er mehr Dinge sieht zwischen Himmel und Erde als Ihr und ich es tun. Er hatte die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, für die wir blind sind, selbst dann, wenn sie direkt vor unseren Augen stattfinden, und so versteht man dann auch die Natur und ihre Kräfte und langsam lernte Afsgard einen Teil davon zu nutzen.“ Der Alte Mann macht eine Pause und isst ein paar seiner Heidelbeeren. Doch sofort sagt ein Mädchen in einem blauen Rock: „Gorz, bitte erzähl weiter!“ und so fährt er fort: „Also, Afsgard zog durch die Lande, wie es junge Männer öfter tun, erlebte mancherlei Geschehnisse und so einiges an Missgeschicken, lernte viel und wurde älter und reifer. Vielleicht erzähle ich euch ein andermal ein paar seiner Abenteuer, doch diese sind jetzt nicht wichtig. Also, Afsgard wurde älter und wanderte weniger und hatte immer öfter das Bedürfnis des Nachts an einen sicheren Ort zurückzukehren. Denn in der Wildnis, Kinder, müsst ihr wissen, treibt sich mancherlei Getier und sogar recht bösartiges Gesindel herum. Daher nennt man es ja Wildnis. Und so fing Afsgard an, sich am Rand der großen Wälder eine kleine Hütte zu erbauen. Er wanderte natürlich weiterhin viel umher und war oft Tage nicht in seiner Hütte, doch immer öfter saß er tagelang in diesem Verschlag, studierte fremdartige Bücher, schrieb Schriftrollen und Bücher oder studierte Kräuter und kochte diese ein. Manchmal, vor allem des Nachts, konnte man ein seltsames Flackern in der Hütte sehen und die Wiesen und Feldgehölze rundherum waren mit dichtem Rauch verhüllt und man konnte Grollen und knallende Geräusche vernehmen, wie wenn man einen Feuerstein in eine Schale Zunder schlägt. Und hätte jemand sich nahe genug heran getraut, so hätte er den Magus manches Mal gehörig fluchen und lästern hören können.“ Der Gorz schaut in die Runde. Manches der kleineren Kinder knabbert nervös an seinen Fingern und auch die Großen sind gespannt, obwohl sie sich sehr bemühen, dass niemand es merkt. „Allein dies reichte aus, um Afsgard in den Dörfern der näheren Umgebung den Ruf eines Sonderlings zu geben, den man besser miede, wenn einem seine Wohlversehrtheit lieb ist. Doch manch nächtlicher Wanderer, vielleicht ein Pelzjäger, der einem scheuen Fuchs nachstellte, vielleicht eine Wache, die des Nachts in der Nähe patrouillierte oder sonstige Gestalten, die für gewöhnlich den Schutz der Dunkelheit suchen, wussten noch absonderlichere Dinge von den Gemarkungen um Afsgards Hütte zu berichten. So wurden dort viel häufiger als üblich Bären gesichtet und deren Spuren gefährtet. Manch einer berichtete on Dachs und Kaninchen, die friedlich nebeneinander saßen und ab und zu sah jemand einen großen, alten Braunbären, die wegen ihrem grau durchsetzten Pelz auch „Gegrisselte“ genannt werden. So wurden manchmal abends in den Dörfern, wenn die Männer nach ihrem Tagwerke bei einem Ale beisammen saßen, die Geschehnisse um Afsgard diskutiert und jeder hatte etwas zu berichten.“ Erneut macht der Erzähler eine Pause und blickt einen der Jungen zu seiner Rechten an. „Mirgan, schöpfst Du mir bitte etwas Wasser aus dem Brunnen? Mein Mund ist ganz trocken vom Reden.“ Er kramt einen verbeulten Zinnbecher aus seinem Wamst und reicht diesen dem Jungen, der ihn kurz darauf gefüllt wieder zurückreicht. Genüsslich trinkt der Alte ein paar Schlucke, wobei er sich über den Rand des Bechers linsend an den gespannten Gesichtern seiner Zuhörer erfreut, die scheinbar noch ein paar mehr geworden sind. Er setzt den Becher ab, schließt die Augen und fragt, mehr zu sich selbst: „Wo war ich stehen geblieben? –Ach ja, ich weiß.“ Langsam öffnet er die Augen und beginnt weiter zu erzählen: „Also, in den Tavernen wurde viel geredet. Als dann allerdings noch fahrende Händler und wandernde Handwerksleut, die Afsgard auf seinen früheren Wanderungen einmal begegneten, von weiteren Absonderlichkeiten erzählten, begannen die Leute, Angst vor Afsgard zu haben. Einige wussten zum Beispiel von einem Feuermal zu berichten, welches auf Afsgards rechtem Handrücken saß und ziemlich genau die Form einer Bärentatze hatte. Wieder andere, die ein Stück mit ihm gewandert waren, erzählten von sieben Muttermalen auf seinem linken Schulterblatt, welche genau so angeordnet waren, wie das Sternbild des Großen Wagens, das ja auch Großer Bär genannt wird. Es dauerte nicht lange, da erzählte man sich, Afsgard könne die Sprache der Bären verstehen, einige behaupteten, er könne sie sogar verstehen. Als dann regelmäßig ein alter Gegrisselter des Nachts an den Waldrändern oder fern am Horizont gesehen werden konnte, fingen die Leute an, zu behaupten, Afsgard könne sich in einen Bären verwandeln und fortan nannte man ihn in den Dörfern „Ursus“ oder „Urs“, manchmal sogar „Grizzler“, und die Leute fingen an, des Nachts ihre Gehöfte mit Schlageisen und Bärenfallen zu sichern. Doch eines Tages verschwanden einige Hühner von einem Hof, kurz darauf ein Schwein von einem anderen und als man in den Tagen darauf ein gerissenes Schaf fand, versammelten sich die Leute auf dem Dorfplatz und diskutierten und schimpften. Manche sagten: „Das war der Urs“ und die Stimmen wurden lauter. Da sprang ein Bauer auf den Rand des Brunnens und rief: „Unser Vieh wird gestohlen und gerissen. Unsere Kinder können nicht mehr sicher spielen. So kann das nicht weitergehen!“ Und er riss seine Mistgaben hoch in die Luft. „Lasst uns den Urs vertreiben!“ und die Leute riefen ihm zu und gaben ihm Recht. Ein paar riefen sogar: „Erschlagen wir den Grizzler!“. Und in aller Eile bewaffnete sich der Mob mit Forken, Dreschen und Knüppeln und zog zu der Hütte des seltsamen Magus. Dort angekommen rief die Menge: „Komm raus, Urs! Zeig Dich!“. Und als Afsgard verdutzt in der Tür erschien, riefen sie: „Hexer, verschwinde, wenn dir dein Leben lieb ist!“ und bewarfen ihn mit Erde und Steinen. Und als Afsgard dann bemerkte, dass einige schon seine Fenster und Läden einschlugen, wusste er, das Verbleiben und Reden zwecklos sein würde und verschwand in der Hütte, um ein paar seiner wertvollsten Bücher und seinen Stab eilig an sich zu nehmen und eilte rechtzeitig aus der Hütte. Im letzten Augenblick, bevor die wilde Meute darauf zustürmte. Ein paar Männer setzten ihm nach und ein paar Knüppelschläge bekam er wohl in den Rücken. Aber er lief fort und im Umwenden konnte er gerade noch sehen, wie der Pöbel seine Hütte kurz und klein schlug. Es blieb kein Balken ganz und kein Stein auf dem anderen. So in ihrer Raserei befriedigt, kehrten die Leute ins Dorf zurück und feierten ausgiebig, dieses Übel losgeworden zu sein. Als jedoch in den darauf folgenden Tagen und Wochen weitere Hühner fehlten und weitere Schafe gerissen wurden, ebbte die fröhliche Stimmung ab. Und als dann schließlich ein Wanderer einen alten Einzelgänger-Wolf erschlug, der seine Provianttasche ausräumen wollte, begannen die weiseren Dorfbewohner sich zu fragen, ob sie Afsgard nicht doch unrecht getan hatten. Doch die meisten meinten: „Gut, das wir den alten Knausel trotzdem los geworden sind.“ „Ist Afsgard verletzt worden?“ fragt die kleine Ranira auf dem Schoß des Gorz sofort, als dieser nur eine kleine Pause macht, um einmal durchzuatmen. „Nein, Ranira“ sagt der Alte in tröstendem Tonfall „Afsgard war nicht wirklich verletzt. Ein paar blaue Flecken hatte er schon, aber so etwas kennt ihr ja und wisst ja, dass es nicht besonders schlimm ist.“ Der Gorz schaut in die Runde und die Kinder nicken. Ein kleiner Junge zeigt seinen blauen Ellenbogen –nicht ganz ohne Stolz. „Aber Afsgard hatte keine Heimstatt mehr und er war verjagt worden und das machte ihn traurig und geknickt. Und wenn man das zählt, war er schon verletzt, aber an seiner Seele. Afsgard war, wie ihr ja schon mitbekommen habt, ein etwas eigenbrödlerischer Mann und er hatte mit Menschen nie viel anfangen können –wie übrigens viele Magier und Gelehrte- und das wusste er auch selbst. Aber er meinte, er hätte nie einem Menschen etwas zuleide getan, und er wusste nicht, woher der für ihn plötzliche Hass der Menschen des Dorfes gekommen war. Und das verbitterte ihn. Und so wurde er noch verschlossener und war immer froh, wenn er niemandem begegnen musste. Also zog er wieder allein durch die Wälder. Und er wanderte lange und weit umher und erlebte vieles, sehr vieles, wovon einiges sicher nur er weiß. Er erlebte viel und lernte einiges und ich will davon hier nicht viel erzählen. Ich will euch nur erzählen, dass er so manches Abenteuer erlebte und in manch gefährliche Situation kam. Die Welt ist groß und ihre Wälder und Gebirge sind tief und hoch und weit und einsam. Und er lernte in ihnen und mit ihnen zu leben. Er traf auch manch fremden Wanderer, wenn auch selten, und oft waren es finstere Gestalten und dunkles Gesindel, welches die Städte und bewohnten Gegenden mied und sich tief in der Wildnis aufhielt. Und durch seine manchmal etwas verschlossene und auch schroffe Art –wobei er allerdings immer aufrichtig war- konnte Afsgard sich selten Freunde unter diesen Gesellen machen und so kam er in manch brenzlige Situation und er lernte, sich mit seinem Stab und auch mit seiner Magie zur Wehr zu setzten, und er lernte kleine Blessuren und Wunden, die er sich hie und da bei seinen Wanderungen zuzog, zu versorgen und zu heilen. Und lange, lange Jahre war er so für sich alleine durch die Welt spaziert. Doch eines Tages…“ Der alte Gorz wird jäh von einem kleinen Hustenanfall unterbrochen. Mühsam kramt er in seinem Rock nach seinem Sacktuch und putzt sich gemächlich die Nase um danach ein paar weiter Schlucke aus seinem Zinnbecher zu nehmen, während er schmunzelnd wahrnimmt, wie ihn die Kinder gebannt anstarren und manches sogar nervös hin- und herrutscht und nur darauf wartet, dass er weiter erzählt. Langsam setzt er den Becher ab und verharrt noch einen Augenblick lang seine Zuhörer betrachtend. Doch gerade, als einige der Kinder ansetzen wollen, ihn zum Weitererzählen aufzufordern, fährt er fort: „Also eines Tages passierte dann etwas, was Afsgards Leben grundlegend verändern sollte. Er wanderte gerade durch einen Landstrich der in ziemlicher Nähe zu einem finsteren und zerklüfteten Gebirgszug lag, als er um eine Wegbiegung des engen und verwachsenen Pfades, dem er seit geraumer Zeit folgte, kam und dort jäh auf zwei Zwerge stieß. Sie waren klein und stämmig, aber irgendwie finster und abstoßend. Die Zwerge schienen dort Wache zu halten, denn sie waren in voller Rüstung und versperrten dem Grauen sofort breitbeinig, mit vor der Brust verschränkten Armen, ihre stabilen Äxte fest im Griff, den Weg. „Halt, buckliger Greis“ riefen sie ihn an „Ohne Wegezoll wird dieser Pfad für euch versperrt bleiben.“ Etwas überrascht hielt Afsgard kurz inne um dann im gleichen Schritt auf die beiden Gnome zu zugehen. Als er nahe genug herangekommen war, trat der redeführende Gnom einen Schritt auf ihn zu, setzte ihm die Schneide seiner Axt auf die Brust und sprach: „Niemand betritt die Länder des Wargxs ohne Pfand zu zollen.“ Behutsam aber bestimmt schob der Graue die Axt des Wegelagerers beiseite und schaute aus seinen von der Hutkrempe tief beschatteten Augen in die schwefelgelben Pupillen seines Gegenübers. „Wegezoll für einen Pfad im Wald“ sprach er bedächtig „Wer besitzt die Frechheit, so etwas zu verlangen?“ „Unser Wargx, der Herrscher der Steintäler“ antwortete die Wache etwas zögerlich aber selbstbewusst. „Wer sich weigert, wird von ihm zur Arbeit in die Minen gebracht.“ Setzte er gleich belehrend hinzu. „So sagt ihm, ich weigerte mich.“ entgegnete Afsgard und machte einen Schritt nach vorn um an dem schrumpeligen Gnom vorbei zu schreiten. Doch bevor er den Fuß auf den Boden setzen konnte, hatte er die Schneiden beider Äxte an seiner Kehle. „Dann müssen wir euch gefangen nehmen“ sagte der Anführer mit seiner kratzigen, kehligen Stimme. „Seid kein Narr!“ rief Afsgard aus und richtete sich zu voller Größe auf, so dass die Gnome zum ersten Mal sein Gesicht erblicken konnten, und erschreckt stellten sie fest, dass der seltsame Wanderer weder alt noch bucklig war. Doch die zweite Wache reagierte schnell und versuchte den Grauen mit der breiten Seite ihrer Axt niederzustrecken. Afsgard jedoch kam ihr zuvor und bevor dieser runzlige Gnom vollends ausgeholt hatte, flog dieser, begleitet von einem lauten Knall und einem kleinen Blitz, rückwärts gut zehn Ruten durch die Luft um hart aufzuschlagen, während die Axt in die entgegen gesetzte Himmelsrichtung sauste. Der andere Gnom war vor Verdutztheit noch nicht dazu gekommen, seine Axt fest zu greifen, als ihn schon der Stab des Magus an der Brust traf und er nach kurzem Flug neben seinem Gesellen schmerzhaft zu liegen kam. Erschrocken sprangen die beiden auf und nahmen haste was kannste ihre krummen Beine in ihre dreckigen Hände und waren so schnell den Weg entlang verschwunden, dass man wirklich hätte staunen können. Nachdenklich auf seinen Stab gestützt blieb der Graue auf dem Weg zurück und zwirbelte gedankenverloren seinen Bart. „Da werde ich wohl bald eine ganze Rotte dieser knorzigen Gnome auf den Fersen haben“ murmelte er zu sich selbst „Da heißt es vorsichtig sein und die Wege meiden. Und am besten beeile ich mich, durch diese Gemarkungen zu kommen.“ Bedächtig aber trotzdem forsch machte er sich erneut auf den Weg um nach einigen hundert Gängen an einer günstigen Stelle den Pfad zu verlassen und in den Wald abzubiegen. So zog er die nächste Zeit durch die dichten, struppigen Wälder, immer bedacht darauf, so umsichtig und vorsichtig wie möglich zu sein und keine deutlichen Spuren zu hinterlassen. Eine ganze Weile ging das gut. Doch dann, er war gerade von seinem zweiten Lager seit dem Zwischenfall aufgebrochen, hörte er unerwartet Geräusche, die sicherlich nicht der Wald verursachte. Nach kurzem Lauschen konnte er Schritte hören. Rasch und möglichst leise versteckte der Wanderer sich bei einer alten Ulme, unter deren lichten Blätterdach bürstendickes Unterholz gewachsen war und horchte aufmerksam in den Wald hinein. Da waren die Schritte wieder. Es waren hastige Schritte, und sie kamen genau auf ihn zu. Schnell kamen die Schritte näher und nach kurzer Zeit kam eine gedrungene Gestalt um eine kleine Buschecke geeilt. „Ein Zwerg! -Wohl ein Späher“ dachte sich Afsgard „aber unbewaffnet, seltsam…“ Doch Afsgard hatte keine Zeit, weiter zu denken, denn der Zwerg hielt genau auf sein Versteck zu und war schon am Saum des Busches angekommen.“ Ein jäher Krach, ein knallen und scheppern unterbricht den alten Gorz und sämtliche Kinder um ihn herum schrecken zusammen, klammern sich aneinander oder springen auf. Ein fahrender Händler springt hastig von seinem Karren, denn ein Bündel Metallwaren und Becher ist von diesem herunter gefallen. Behutsam hebt er es auf und betrachtet seine Waren sorgsam. „Nichts geschehen, Kinder“ sagt der Gorz ruhig und bedächtig „Alles in bester Ordnung“. Langsam entspannen sich die Kinder wieder, die kleinen Mädchen lassen die Arme ihrer größeren Geschwister wieder los und diejenigen, die aufgesprungen sind, setzen sich wieder, während der Händler unter leisem Fluchen sein Packet wieder auflädt. „Also dann lasst mich fortfahren“ sagt der Alte, während ein Hauch eines zufriedenen Lächelns über sein Gesicht huscht. „Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, also Afsgard zog nun abseits der Wege durch die finsteren, dornigen Wälder.“ „Du warst schon viiieeeel weiter!“ unterbricht ihn die kleine Ranira trotzig „Afsgard sitzt im Busch und ein Sucherzwerg rennt auf ihn zu! Das hast du erzählt!“ „Ja, du hast Recht, Ranira, da hatte ich aufgehört mit meiner Erzählung“ sagt der alte Gorz schmunzelnd „Also Afsgard kauerte sich tief unter das dichte Laubdach der Büsche unter der Ulme, als er merkte, dass des Gnom genau auf ihn zu gerannt kam. Verwundert fiel Afsgard auf, dass dieser Gnom rannte, als wäre ein Kugelblitz hinter ihm her, wo diese Kleinwüchsigen doch normalerweise in einem schnellen Trott durch die Gegend traben. Doch Afsgard hatte keine Zeit, diese Gedanken zu Ende zu bringen, denn der Zwerg war soeben am Saum des Busches angekommen und sprang hastig ohne die Zweige vorher mit den Armen zu teilen, knackend und prasselnd in das Astgewirr hinein. Afsgard blieb wenig Zeit zum Denken und noch weniger Zeit zum Reagieren, also schmiss er dem Gnom in vollem Lauf seinen Stab zwischen die Beine, so dass dieser der Länge nach auf den Boden aufschlug. Auch wenn das bei einem Zwerg kein tiefer Fall ist, so reichte die Wucht des Aufpralls doch aus, um ein wenig Benommenheit hervor zu rufen. Diese nutzte Afsgard, in dem er sich rittlings auf den Gnom schwang und ihm die Kehle zuhielt. Im kurzen Moment der Stille bemerkte der Magus sofort weitere Schritte, die aus der gleichen Richtung auf den Busch zu kamen und geistesgegenwärtig zog er den Zwerg so leise wie nur eben möglich tiefer in den Busch hinein. Schon tauchten zwischen den Bäumen des Waldes zwei weitere dieser knubbligen Drei-Käse-Hoch auf, etwas stämmiger und größer als der erste, aber auch hässlicher, wenn das überhaupt möglich war. Sie trollten durch den Wald und suchten dabei den Boden scheinbar nach Spuren ab. Doch um ihre Fertigkeiten im Fährtensuchen war es scheinbar recht schlecht bestellt, denn sie sahen nicht den breiten Pfad aufgewirbelter Blätter und nicht die abgeknickten Reiser am Saum des Busches, die der kleine Zwerg in seiner Hast verursacht hatte. Und so schauten sie sich ratlos an, fragten sich gegenseitig, was geschehen sein könnte. „Wo ist er hin?“ „Weiter. Ihm nach“ Und so eilten sie zügig an dem kleinen Gebüsch unter der Ulme vorbei, wo ein grauer Magus erleichtert aufatmete und seinen Würgegriff um eine Zwergenkehle etwas lockerte, welche sich seltsamerweise unter seinen Fingern entspannte. Afsgard nahm ein paar Tücher und Stricke aus seinen Taschen und horchte aufmerksam in den Wald nach weiteren Geräuschen. Als nach einer Weile immer noch Stille im Forst vorherrschte, zu still, wie Afsgard fand, fesselte und knebelte er den Wicht sorgsam und schulterte ihn wie einen Sack Roggenschrot. Zwerge sind zwar recht kräftig, aber nicht sonderlich schwer, müsst ihr wissen, und dieser war wesentlich leichter, als Afsgard es erwartet hatte. Dann machte er sich leise davon. „Jetzt heißt es aber einmal mehr, diesen Landstrich hinter mir zu lassen“ murmelte Afsgard zu sich selbst und versuchte, so schnell als möglich, jede Deckung nutzend, das Gebirge in seinem Rücken, diesen Wald und die Orte der letzten Geschehnisse in weite Ferne zu rücken. Und so lief Afsgard lange durch die Wälder. Tage. Nächte. Er machte nur wenige Pausen und hielt diese so kurz wie eben nötig, um möglichst schnell voran zu kommen. Zu seinem Erstaunen verhielt sich der Gnom auf seiner Schulter recht friedlich, manchmal, wenn der Magus in einen gleichmäßigen Trott verfiel, schien er sogar zu schlafen.“ Der Geschichtenerzähler blickt in die Runde, wobei seine Augen auf zwei Jungen ruhen bleiben, die sich scheinbar raufen. „Was ist los, Jekub?“ fragt er bedächtig und ruhig den etwas kleineren Jungen. „Daron behauptet, meine Zähne klappern vor Angst.“ erwidert der Angesprochenen, wobei er seinem Nachbarn genervt in die Rippen knufft. „Tust du ja auch. Du zitterst wie Espenlaub, Angsthase!“ antwortet sein Kontrahent frech. „Na“ sagt der der alte Gorz „das glaub ich ja nicht. Und wenn Jekub etwas angespannt ist, so ist das gar nicht schlimm. Schließlich ist das selbst der graue Afsgard gewesen, oder was meint ihr, warum er so schnell als irgend möglich aus dem Landstrich hinaus wollte, ohne jemandem zu begegnen? Vorsicht ist wichtig. Und Vorsicht entsteht oft aus ein kleinem wenig Angst, solltet ihr wissen.“ Dankbar lächelt der kleine Junge den Alten an und Daron, sein Widersacher, schaut mit großen Augen und wirkt äußerst friedlich. Mit einem Lächeln, das mehr ihm selbst als den Kindern um ihn herum gilt, nickt der Gorz und murmelt: „Gut, dann weiter…genau.“ „Also Afsgard lief mit dem Zwerg auf dem Rücken viele tausend Gänge durch die Wälder, bis diese lichter und grüner wurden und die finsteren Berge in seinem Rücken zu einer grauen Linie am Horizont geschrumpft waren. Da beschloss Afsgard irgendwann als er gerade Rast machte und dem Zwerg am Knebel vorbei ein paar Schlucke Wasser gab, dass er weit genug gekommen war und dieser Gnom ihm durch Verrat keinen Schaden mehr zufügen konnte. Also nahm der Graubärtige kurzerhand den Wicht bei den Achseln und stellte ihn auf seine kurzen, stämmigen Beine. Dabei stellte er mal wieder zu seiner Verwunderung fest, wie leicht und knochig dieser war. Dann ging Afsgard vor dem Gnom auf die Knie und begann bedächtig zu diesem zu sprechen: „So, Zwerg, ich werde euch nun losbinden und ihr seid frei zu gehen. Solltet ihr allerdings versuchen, mich anzugreifen, wird es euch übel ergehen, denn ich weiß ganz gut mit meinem Stab umzugehen und anhand meiner arkanen, wenn auch verschlissenen Robe werdet ihr wohl erkennen, dass ich euch noch den ein oder anderen Fluch mit auf den Weg geben kann.“ Langsam nickte der Wicht und brummte dabei durch seinen Knebel als habe er verstanden. Also knüpfte Afsgard seine Fesseln auf und nahm den Knebel aus dem Mund des Wichtes. Zu seiner Verwunderung schlug dieser ihm kräftig aber freundschaftlich mit der Hand auf die Schulter, so dass Afsgard noch mehr in die Knie sackte, und sprach: „Habt Dank, edler Herr! Ihr wisst nicht, was ihr für mich getan habt, ohne euch wäre es um meine Flucht schlecht bestellt gewesen.“ Als der Zwerg Afsgards unverständlichen Blick sah, sagte er schnell: „Oh, wie unhöflich… Tosamiel, zu ihren Diensten“ und verbeugte sich so tief, dass seine Stirn fast Afsgards Füße berührten und es war ein Wunder, dass sein Rücken nicht entzwei brach. Als Tosamiel merkte, dass aus dem Blick des Grauen keinerlei Verwunderung wich und dieser nur abwesend und verwirrt murmelte: „…Hocherfreut, mein Herr, Afsgard….“ Und so etwas wie eine leichte Verbeugung andeutete, sagte er mehr zu sich selbst: „ Mmh, es scheint, ihr habt die Lage nicht gekannt, die missliche, in der ich mich befand. Diese buckligen, warzigen Orkverwandten hielten mich in Sklaverei, diese elenden Trollhaustiere!“ und dabei wurde er erzürnt und sein Schädel lief rot an „Dunkelzwerge werden sie meines Wissens nach genannt.“ Doch dann unterbrach er abrupt und wandte den Blick von seinem Gegenüber ab und ließ ihn durch die Gegend schweifen. Dann sagte er: „Wir scheinen hier für das Erste sicher zu sein, und dort drüben unter dem Felsbrocken könnten wir sogar ein kleines, rauchloses Feuer entzünden. Etwas Wärme und eine Stärkung wären nicht schlecht.“ Und zu Afsgards grenzenloser Verwunderung stapfte er in den Wald um Reisig für ein Feuer zu klauben und ließ den verwirrten Magus, der immer noch kniend an Ort und Stelle weilte, zurück. Nach kurzem Suchen hatte Tosamiel mit seinen Geschickten Händen und zwei Kieseln rasch ein kleines, prasselndes Feuer entfacht. Afsgard, der sich inzwischen etwas gesammelt hatte, packte seinen spärlichen Proviant aus und daran labten sich die beiden und naschten dazu ein paar Blaubeeren, die Tosamiel ebenfalls mitgebracht hatte. Mampfend und zufrieden strahlend sagte der Wicht nun: „So mein Herr, wie war noch gleich euer Name?“ „Afsgard“ „Genau, ich denke, nun ist es an der Zeit, euch aufzuklären und euch eure Verwirrtheit zu nehmen.“ Und so begann der Zwerg zu erzählen. Davon, wie er mit einer handvoll Jungzwerge vor Jahren aus seinem Heimatdorf zur Jagd aufgebrochen war und nachdem sie einen wilden Ochsen geschossen hatten in fremde Gebiete gelangten und dort durch unglückliche Umstände in die Hände der Dunkelzwerge fielen, die sie fortan als Sklaven in ihren erbärmlichen Minen, in denen nur Katzengold und mindere Edelsteine zu finden waren, schuften ließen. Einer von Tosamiels Begleitern war schon in den Minen der quälenden Arbeit zum Opfer gefallen, zwei waren bei einem Fluchtversuch darnieder gemetzelt worden und der Vierte war brutal zu Tode geprügelt worden, weil er vor einem Hohen der Sklavenwache zuerst durch die Tür getreten war. So hatte Tosamiel schlussendlich aus bodenloser Verzweiflung die Flucht ergriffen und hätte wohl das Schicksaal seiner Kameraden geteilt, wäre er nicht Afsgard in die Arme gelaufen.“ Der alte Gorz schaut in die Runde. Alle Kinder um ihn herum sitzen mucksmäuschen still da, so dass man meinen könnte, sie seien vor Jahrtausenden zu Stein erstarrt. Nur das Heben und Senken ihrer Brustkörbe deutet auf Leben und das Wackeln der Zäpfchen in einigen der weit aufgerissenen Münder. Gespannt sehen ihn alle Kinder an, so dass er ohne große Pause mit seiner Erzählung fort fährt: „Nachdem Tosamiel während der Dauer der halben Nacht erzählt hatte, ruhten sie eine Weile in Morpheus Armen und brachen dann gemeinsam auf, als das erste Licht des Morgens über den Horizont blinzelte. Denn Afsgard hatte beschlossen –in Ermangelung anderer Ziele- den kleinen Zwerg zu seinem Heimatdorf zu begleiten. So marschierten beide schweigend nebeneinander her, denn beide gehörten nicht zu den Geschwätzigsten und Tosamiel hatte nun schon die ganze Nacht geredet. Ab und an stellte der Grizzler eine gezielte Frage über Tosamiels Jugend oder dessen Gefangenschaft, die zeigte, dass er sehr scharf und genau darüber nachdachte. Entstand daraus ein kurzer Dialog, so konnte der Gnom dann und wann durch ein paar Andeutungen einige wenige Fetzen vom bisherigen Leben des Magus erfahren, welche nach und nach ein Puzzle ergaben. Doch viel redete der Graue nicht darüber, vor allem nicht über seine schlechten Erfahrungen. Die gingen niemanden etwas an, glaubte er, denn er dachte im Grunde nicht schlecht über Menschen, auch wenn er eher wenig mit ihnen anzufangen wusste, und wollte auch nicht den Eindruck vermitteln, dass er es täte. So marschierten Afsgard und Tosamiel drei Tage und fast drei Nächte, meist schweigend nebeneinander her. Sie trauten dem ganzen nicht recht und waren gewillt, fürs Erste möglichst viel Land zwischen sich und die finsteren Berge zu bringen. Dann beschlossen sie, sich mal ein wenig Ruhe zu gönnen und hielten schon vor der Abenddämmerung zur Nacht an. Erstaunt bemerkte Afsgard, wie viel Wegstrecke sie schon zurückgelegt hatten, denn sie waren nach den flachen Wäldern an den Füßen der Berge inzwischen schon wieder in hügelige Gegend gekommen. Und dabei schien der Zwerg sich auch noch etwas erholt zu haben. Bei dem Gedanken schüttelte Afsgard erstaunt den Kopf. Wenn so ein Marsch für eine Erholung gut war, so musste es dem Wicht bei den Dunkelzwergen wirklich schlecht ergangen sein. Zwerge sind nämlich trotz ihrer kurzen Beine erstaunlich schnelle und vor allem ausdauernde Läufer, müsst ihr wissen“ sagt der Gorz und schaute in die Runde fasziniert blickender Kinder. „Also, Afsgard und Tosamiel hatten sich diese Nacht schon früh zum Ruhen ausgestreckt, allerdings brachen sie dafür auch schon früh, ein paar Stunden vor dem Morgengrauen, wieder auf. Sie waren kaum eine Stunde gelaufen, da wies Tosamiel auf einen roten Schimmer am Horizont. „Schaut einmal dort, Magus. Ein wenig früh für die Morgendämmerung. Findet ihr nicht?“ „Ja, ihr habt Recht, Tosamiel. Dort scheint jemand zu lagern, den es nicht schert, entdeckt zu werden und der sich ein loderndes Feuer leisten kann. Lasst uns ein wenig Abstand halten. Mir ist die Gegend fremd und es würde bedeuten, eine unnötige Gefahr auf sich zu nehmen, diesen Leuten zu begegnen.“ So liefen sie still mit etwas forscheren Schritten weiter und änderten ihre Richtung etwas, um einen vorsichtigen Abstand zu dem vermeintlichen Lager einzuhalten. Sie waren noch nicht weit gekommen, da sahen sie plötzlich in einiger Entfernung einige Büsche wackeln. Erneut war es Tosamiel, der Afsgard darauf aufmerksam machte. Was allerdings weniger daran lag, dass der Magus schlechtere Augen gehabt hätte als der Zwerg, als vielmehr daran, dass der alte Knausel zum Grübeln neigte und öfter mal seine Umgebung für ihn in Vergessenheit geriet. „Pssst“ zischte Afsgard leise, als Tosamiel auf die Büsche zeigte und deutete mit dem Zeigefinger auf den Lippen leise zu sein. Kurz darauf vernahmen sie das knacken von Ästen und Gemurmel ferner Stimmen. Allerdings klangen diese rau und hässlich. Leise liefen Beide weiter und versuchten dabei ohne Geräusche möglichst schnell zu sein. Nach einer kurzen Weile bemerkten sie, dass die Stimmen ihnen folgten, was ihre Schritte beschleunigte, doch die Geräusche ebbten nicht ab, sondern kamen sogar etwas näher. Nach dem Knacken und Prasseln zu urteilen handelte es sich um eine Herde wilder Auerochsen, die trabten und trampelten und dabei in einer dunklen, kehligen Sprache fröhlich quasselten. Afsgard und Tosamiel hatten auf diese Weise eine halbe Stunde Weg zurückgelegt, als das erste Morgenrot am Horizont erschien. Kurz darauf konnten sie von einer Erhebung aus erkennen, dass es sich bei den Verfolgern um eine kleine Schar Dunkelzwerge handelte, die zwei Oger einer kleineren Art an Halsketten mit sich führten. Als Afsgard sich wunderte, erklärte Tosamiel ihm, dass Oger von den Dunkelzwergen als Haustiere gehalten wurden und zum jagen und Fährtensuchen dienten. Jetzt war es klar, dass die Dunkelzwerge auf ihrer Fährte waren und alle Umsicht und Stille keinen Nutzen mehr hatte und so liefen Afsgard und Tosamiel weiter so schnell sie konnten. Kurz darauf gelangten sie in ein Tal, welches sich aus einer Mulde heraus verengte und in einen Hohlweg mündete. Dieser Hohlweg führte zwischen zwei Hügeln hinauf auf eine Grasebene. Sie hatten keine Wahl, als ihm zu folgen. Doch sie hatten kaum die Hälfte des Hohlweges erklommen, als sie an dessen Ende auf der Hochebene einen weiteren Trupp Dunkelzwerge entdeckten. „Noch eine Schar hässlicher Gnome!“ rief Tosamiel und als er sich umdrehte, sah er, dass die Verfolger schon in den Hohlweg eingedrungen waren. Afsgards Blick schwebte von oben nach unten als er sagte: „Wir sitzen in der Falle. Da hilft nichts. Ein gutes Dutzend Gnome.“ Dann zückte er seinen Dolch aus dem Gürtel und warf ihn Tosamiel zu. „Hier, kleiner Freund, besser als nichts!“ sagte er und fasste seien Stab feste mit beiden Händen. Die Dunkelzwerge rückten in den Hohlweg vor, wobei die beiden Oger mit ihren Führern zurück blieben. Die Gnome waren schon einiges näher ge… aah, oh man, uuaah … nein, ah, Hilfe!“ ruft der alte Gorz plötzlich und alle Kinder starren ihn erschrocken an. Der Gorz blickt ein Mädchen an, dessen Name ihm gerade nicht einfällt und sagt: „Du … ja Du! Hilf mir mal … oooh … hilf mal kurz“ und fuchtelt dabei wild mit seinen Händen irgendwo auf seinem Rücken herum. „Kratz mir mal bitte den Rücken, kratzen, ja! Ja, oooh, etwas fester, ja, ein bisschen tiefer … links … uuah, ja … ooh … genau da. Ja. Das tut gut. Aaah danke!“ Als das kleine Mädchen fertig ist, schaut der Alte in die Runde. „Entschuldigt bitte. Ja, ich erzähl ja weiter“ sagt er zu einem Jungen, der gerade ungeduldig den Mund öffnen wollte. „Wo war ich gleich? -Also, die Gnome stürmten mit gezückten Krummsäbeln und Beilen auf Tosamiel und Afsgard zu. Sie waren schon bedrohlich nahe herangeeilt und fast konnten die Beiden schon ihren fauligen Atem riechen. Da richtete sich Afsgard auf, sprach ein paar magische Worte und streckte seine Arme mit den Handflächen nach vorne in Richtung der Angreifer, woraufhin ein Feuerball auf die ersten Angreifer zuraste, ein heller Blitz die morgengraue Landschaft durchzuckte und kurz darauf nur noch ein paar rauchende Stiefel von dem eifrigsten Angreifer zeugten. Allerdings bremste das die anderen Gnome nicht in ihrer Angriffslust und zum Entsetzen des Magus hatten sie die beiden Flüchtlinge ereilt, bevor er ein weiteres Mal Magie anwenden konnte. Ein wildes Kampfgetümmel erhob sich. Doch zu Afsgards Erstaunen wurden sie nicht sofort niedergestreckt, sondern Tosamiel schnitt geschickt in einer Drehung dem ersten Angreifer die Kehle durch und entriss diesem noch in derselben Bewegung die Axt, die er nun in runden Schwüngen um sich schleuderte. Auch der Magus wirbelte mit seinem Stab erstaunlich schnell und geschickt für einen alten Mann umher, so dass die Beiden ihre Angreifer auf Distanz halten konnten. Plötzlich rief Tosamiel „Habt Acht!“ und als Afsgard aufsah, flog ihm die Axt des Zwerges genau entgegen. Er duckte sich im letzten Moment und sah, wie die Axt einem Oger zwischen die Augen fuhr, der gerade beide Fäuste erhoben hatte, um sie auf den Magus herab zu schleudern. Die Oger-Führer waren den anderen zur Hilfe geeilt! Der umstürzende Oger schaffte Afsgard etwas Platz, so dass er die Arme zum Himmel reißen konnte und kurz darauf fiel der zweite Oger mit vom Blitz gespaltenem Schädel. Den Moment hatte Tosamiel genutzt, um sein Axt wiederzuerlangen und in der folgenden erschrockenen Kampfespause sammelten sich die Beiden, so dass Afsgard mit dem Rücken an der Felswand stand und der kleine Wicht vor ihm mit seiner kreisenden Axt die Gegner auf Distanz hielt. So schickte Afsgard Zauber um Zauber in die Zwergenschar und jedem, der zu nahe kam, drohte ein Streich von Tosamiels Axt. So zuckten Blitze und gellten Kampfesschreie zwanzig Minuten lang aus der Schlucht bis die letzten verbliebenen Gnome ihre Waffen fallen ließen und die kurzen Beine in die Hände nahmen. Als Tosamiel ihnen hinterher eilen wollte, legte der Magus ihm die Hand auf die Schulter und sagte „Lasst sie nur“. Sie blickten sich gegenseitig an und nickten. „Ihr habt mir das Leben gerettet“ sprach Afsgard „seid meines Dankes gewiss.“ „Da nicht für! Ihr habt ebenfalls meines gerettet, erinnert ihr euch?“ antwortete der Wicht verschmitzt. Afsgard betrachtete still diesen kleinen Gnom, der scheinbar ein großes Herz besaß. Eine Weile standen sie still dar. „Wisst ihr, wie man bei uns Zweie nennt, die einander das Leben retten?“ fragte Tosamiel „Nein“ antwortete Afsgard „FREUNDE!“ lachte der Zwerg und bot dem Magus den Unterarm dar. „Freunde!“ sagte Afsgard lächelnd und schlug ein. So standen sie eine Weile völlig kraftlos nebeneinander und schauten immer wieder auf die wüsten Kampfspuren und die leblosen Körper um sie herum. Dann sahen sie sich gegenseitig an, wobei sie ausdruckskräftige Blicke tauschten und nickten einverständlich. „Bevor dieser Vortrupp irgendwelche Hilfe holen könnte, sind wir längst über alle Berge.“ meinte Tosamiel „Da stimme ich euch zu.“ Und so brachen sie schweigend auf um sich wieder auf den Weg zu Tosamiels Heimstatt zu machen. So liefen sie still sicher eine halbe Stunde weiter und hatten den Hohlweg, den Schauplatz dieser grausigen Geschehnisse schon weit zurückgelassen, als der Grizzler plötzlich die Stille des Marsches unterbrach. „Einen netten Streich habt ihr da mit eurer Axt, mein kleiner Freund.“ „Habt Dank. Aber ihr versteht es auch recht ein respektvolles Schauspiel zu bieten.“ Dankbar lächelnd nickte der graue Magus dem Zwerg zu. „Lasst mich doch einmal eure Streitaxt schauen. Sie scheint von wirklich guter Qualität.“ „Sie ist sicher von fachkundiger Hand gefertigt worden“ antwortete Tosamiel und reichte Afsgard die Waffe. „Der Magus nahm die Axt in beide Hände und drehte sie langsam zwischen den Fingern. Dabei brummte er und kraulte sich ab und an den Bart. „Ich dachte es mir“ murmelte der Graue „hier sind versteckte Runen. Bahçlog steht dort. Und das Kürzel des Schmiedes in elfischen Zeichen. Mmmh.“ „Dann muss es eine der wenigen Waffen sein, welche seit der Altvorderenzeit überlebt haben. Sie wurde gefertigt, als Elfen und Zwerge noch ihr Wissen teilten.“ meinte Tosamiel nachdenklich „Wie diese wohl in die Hände der Dunkelzwerge gelangte?“ „Sicher nicht rechtmäßig“ antwortete Afsgard „Haltet dieses Beil in Ehren, Zwerg. Diese Waffe kann euch ein Leben lang gute Dienste leisten.“ Zustimmend nickte Tosamiel und steckte den Schaft der Axt fest in seinen Gurt. Und dann machten sich die beiden ungleichen Gefährten weiter auf zu den Pfaden, die sie erwarteten.“ Hier macht der alte Gorz eine Pause und betrachtet die Schar Kinder um ihn herum. „Entgegengesetzt der anfänglichen Turbulenzen verlief die Reise der Beiden von nun an ruhig und es gibt nicht viel zu berichten, Kinder. Sie liefen weit und lang und haben viele fremde Gegenden gesehen. Sie trafen einen Streuner und Waldläufer namens Fidic, dessen Leben sie verändern sollten. Aber ich schweife ab. Das erzähle ich euch ein Andermal. Hier geht es schließlich um einen Zwerg und um einen Zauberer“ spricht er mehr zu sich selbst. „Und um deine Hexe. Was ist mit der Hexe?“ fragt die kleine Ranira. Erheitert lacht der Alte und streichelt der Kleinen den wuschligen Kopf. „Ja, Ranira, dir kann man wirklich nichts vormachen. Aber Geduld, soweit sind wir noch nicht. Jetzt musst du aber einmal von meinem Schoß herunter, es wird mir langsam etwas schwer.“ Verständnisvoll nickt das Mädchen und rutscht von seinen Knien um sich direkt vor ihm im Schneidersitz hinzusetzen und erwartungsvoll aufzublicken. „Also, der Magier und der Zwerg waren weit gewandert. Sie hatten einiges geredet und viel voneinander erfahren. Sie waren Freunde geworden. Freunde für ein Leben, wie sich später zeigen sollte. Sie waren nun lange gewandert und endlich kamen sie in Gegenden, wo Tosamiel hie und da einen Felsen, Baum oder Strauch wiederkannte. Bald würden sie in die Haine um das Heimatdorf des Zwerges kommen. Während sie nun weiterwanderten, sprudelten aus Tosamiel all diejenigen Kindheitserlebnisse heraus, welche er mit Wiesen, Büschen oder Hainen dieser Gegend verband. Für einen Zwerg war der Kleine äußerst redselig. So schritten sie weiter. Nein, eigentlich war es mehr zu einem Spaziergang geworden, denn Beide waren durch die Nähe zu Tosamiels Heimat friedlich und entspannt. Kurze Zeit darauf bogen sie um die Ecke eines Waldsaumes, als sie auf der Lichtung, die sie nun einsehen konnten, einen Zwerg entdeckten, der wohl offensichtlich im Boden nach Wurzeln gewühlt hatte. Jetzt allerdings war er aufgesprungen und hielt in seinen erdigen Händen einen primitiven Holzspeer, den er zur Verteidigung bereit auf die beiden Wanderer richtete. „Halt, wer da?“ rief er. „Nun, dieses klärest wohl besser du“ brummte Afsgard schmunzelnd und schob Tosamiel sanft nach vorn. Dieser schritt beherzt und mit freudig erhobenen Armen auf den anderen Wicht zu und rief: „Alter Gordatsch, welch Freude, euch zu sehen!“ „Kommt mir nicht zu nahe“ antwortete der so Angesprochene und hob zitternd den Speer etwas weiter. Der alte Gnom machte dabei eine bedauernswerte Figur. Er war hager und dürr und wirkte mitgenommen, wie er mit gichtigen Fingern und Furcht im Gesicht den Speer auf Tosamiel richtete. „Aber Gevatter, erkennt ihr mich denn nicht? Ich bin es, Tosamiel!“ Verwundert ließ der Alte den Speer sinken, hob ihn aber augenblicklich wieder an. „Mit derart viel Dreck im Antlitz könnte das ein jeder behaupten. Tosamiel ist sicher lange tot.“ „Aber nein, Gordatsch, schaut mich an, ich bin es“ meinte Tosamiel und hob dabei die Handflächen als Zeichen seiner friedlichen Absicht. Langsam, den Speer fest im Griff, kam der Alte näher und musterte mit zusammengekniffenen Augen seinen Gegenüber. „Wahrhaftig, du bist es. Der kleine Tosamiel, welch ein Wunder!“ rief er aus „Doch wo sind deine Gefährten? Der kleine Bagin, der wilde Ildur, der …“ „Allesamt tot“ unterbrach ihn Tosamiel und schaute dabei sehr betrübt „Doch es ist eine lange Geschichte. Lasst uns ins Dorf zurückkehren. Wie steht es überhaupt um das Dorf?“ „Ach Tosamiel, es ist schrecklich, so schrecklich“ murmelte der alte Zwerg trüb. Erschrocken schaute Tosamiel ihn an. „Seit langer Zeit, seit Monaten, vielleicht schon über ein Jahr wird unser Dorf von einem Troll belagert. Ein wahrer Plagegeist. Er verschlingt unsere Ernten, er frisst unser Vieh. Und zu allem Überfluss haust er auch noch in den Minen.“ „Das ist furchtbar!“ meinte Tosamiel „Doch lasst uns dennoch heim gehen. Ach, ich vergas: Das ist Afsgard, mein Weggefährte Afsgard. Ich habe ihm viel zu verdanken.“ Der alte Zwerg verbeugte sich tief, so dass sein Rücken wie das alte Gebälk einer Mühle krachte und sagte: „Gordatsch, zu euren Diensten.“ Daraufhin kam Afsgard ein paar Schritte näher, verbeugte sich ebenfalls und sagte „Hail euch, Gordatsch, und eurer ganzen Sippe.“ Erfreut blickte Gordatsch zu dem Menschen auf, der eine angemessene Antwort auf eine zwergische Begrüßung wusste und nickte anerkennend. „So lasst uns aufbrechen“ sagte er. Auf dem gemeinsamen Weg in Tosamiels Heimatdorf erzählte Gordatsch, wie es seit Tosamiels Verschwinden ergangen war. Dass seine Familie äußerst trauernd war, dass Tosamiels Vater, wie es einem Zwerg gebührt, bei einem Erdrutsch sein Leben ließ und nun auf ewig in den Minen ruhte, dass Tosamiels Brüder zu fähigen Schmieden und Bergwerkern geworden waren und dass es dem Dorf prächtig ergangen war. Bis der Troll auftauchte und sich in ihren Minen einnistete, ihre Ernten plünderte und ihre Tiere schlachtete. „Wir haben nicht einmal mehr vernünftige Waffen, es fehlt am Erz“ jammerte der Alte und hob dabei demonstrierend seinen Holzspeer „Zwerge mit solchen Waffen, welch eine Schmach!“ Und während Gordatsch so erzählte, hatten sie nicht bemerkt, dass sie schon im Dorf angekommen waren und schritten durch das unbewachte Tor in den Palisaden, welche das Dorf schützend umgaben. Alle Wachen halten zur Sicherheit des Dorfes Ausschau nach dem Troll“ hatte Gordatsch erklärt. Nun waren sie im Dorf angekommen und so rief er: „He ihr da! Kommt heraus! Tosamiel ist zurückgekehrt!“ Daraufhin erschienen in den Fenstern und Türen der Hütten Köpfe und Gesichter, die neugierig hervorlugten. Einige kamen aus ihren Häusern und liefen bedächtig auf die drei Ankömmlinge zu. Doch als die Rufe „Er ist es!“, „Es ist Tosamiel“ „Er ist zurück“ lauter und mehr wurden, strömten sie aus allen Enden des Dorfes auf den Platz und ein wahrer Tumult entstand. Alle ringten sich um die drei und überfluteten sie mit Schulterklopfen und Fragen und Rufen, so dass man kaum ein Wort verstand. „Haltet ein“ rief plötzlich eine alte aber kraftvolle Stimme aus der Menge „Ihr seht doch dass sie erschöpft von einer langen Fahrt sind und sicher erst einmal ein Bad und mehr brauchen.“ „Mutter!“ rief Tosamiel und stürmte mit erhobenen Armen durch die Menge auf die alte Frau zu. „Tosamiel, mein Junge!“ rief diese und schloss ihn herzhaft in die Arme. „Kommt mit, ihr zwei, ihr bekommt erst einmal eine stärkende Suppe und ein heißes Bad.“ Und so folgten sie ihr in ihre Hütte, das restliche Dorf hintendrein. Dort bekamen sie eine kräftige Brühe und dann sprach die Zwergin zu Afsgard: „Kommt, mein Herr, für euch ist ein Bad in der Kammer gerichtet. Mein kleiner Tos kann hier im Wohnraum baden.“ Und sie führte den Magus in einen kleinen Nebenraum, wo sein Bad gerichtet war und er abgeschieden vom Tumult des Wohnraumes sich waschen und entspannen konnte. So erfrischt trat er wieder in den Wohnraum ein, in dessen Mitte Tosamiel in einem Fass saß und wild gestikulierend erzählte. Der kleine Raum um ihn herum war angefüllt mit Zwergen, welche aufmerksam zuhörten. Selbst Fenster und Türen waren angefüllt mit Zwergenköpfen. Und Tosamiels Mutter saß auf einem Schemel neben dem Fass und sagte ab und an voller Stolz: „Mein Junge, das ist mein Junge.“ Der Wicht war mit seinen Erzählungen gerade bei ihrem Kampf im Hohlweg angelangt und als der erste Oger fiel, platschte soviel Wasser aus der Wanne, dass es beinahe ein paar kleinere Zwerge fortgespült hätte. Afsgard betrachtete seinen Gefährten gedankenverloren. Jetzt wo der ganze Dreck herab und die Haare gewaschen und ein wenig in Form gebracht waren, sah der kleine Wicht gar nicht mehr so hässlich und knubbelig aus. Vielmehr war er, dachte man sich die Strapazen und Scherereien der letzten Zeit aus seinem Gesicht, recht anmutig für einen Zwerg. Gedankenverloren ließ der Magus seinen Blick über die anwesenden Zwerge schweifen. Dachte man sich etwas mehr Speck auf ihre Rippen und etwas rundere Gesichter, so waren sie wohl alle recht anmutig. Tosamiels Mutter gar hatte wohl früher mal ein Antlitz besessen, was man getrost als hübsch bezeichnen konnte. „Wir haben Glück, dieser Mann dort ist ein alter und erfahrener Magier.“ Erschrocken fuhr Afsgard hoch und merkte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Vor Verlegenheit huschte ein wenig Rot über sein Gesicht, denn er hatte von einem Zwerg, der seine Kleidung beim Baden gerichtet hatte, erfahren, dass Tosamiel nur wenig jünger war, als er selbst. Und dieses Alter gilt bei Zwergen immer noch als jung.“ Der Gorz räuspert sich kurz. „Wie ihr ja bestimmt wisst, werden Zwerge sehr alt, Kinder.“ Zustimmend nicken die Knaben und Mädchen um den Erzähler herum. „Und man sieht ihnen ihr Alter erst sehr spät an, sie können über hundert sein und man hält sie noch für jung. Magier hingegen… Nun, Magier erreichen manches Mal ein fast ebenso hohes Alter wie ein Zwerg. Allerdings werden sie genauso schnell alt wie ich und ihr, nur bleiben sie dann einfach ganz, ganz lange alt.“ Verständnisfrohes Lächeln der Kinder begleitet die erklärenden Worte des Alten. „Nun stand also Afsgard da und alle schauten auf ihn. „Bei weitem nicht so alt und nicht so magisch, wie du meinst, teurer Freund“ antwortete er. „Nun, ich erzählte gerade, dass du uns helfen würdest, den Troll loszuwerden und das dieses einem Sonntagsspaziergang für dich gleichkäme.“ „Sei nicht so voreilig, kleiner Freund“ antwortete Afsgard und erklärte dann den enttäuscht dreinblickenden Anwesenden, dass Trolle nicht zu unterschätzende Wesen seien, welche schon seit ewigen Zeiten auf der Welt wandelten. Länger schon als Mensch und Zwerg und vielleicht gar länger als die Elfen. Und er erklärte, dass manche Trolle gegen vielerlei Magie immun seien und ihnen nur schwer beizukommen sei. „Aber ich bin gern bereit, meine Fähigkeiten in eure Dienste zu stellen“ sagte er abschließend. „Ich würde vorschlagen, wir wagen morgen einen Vorstoß, um dieses Ungetüm einmal zu betrachten. Vorher allerdings sollten wir einmal eine gute Mütze Schlaf in der Sicherheit und Geborgenheit eines bewachten Dorfes genießen.“ „Da hast du recht, Grizzler“ stimmte Tosamiel ihm zu. „Ihr habt es gehört! Raus mit euch!“ rief Tosamiels Mutter mit Ihrer Stimme, der sich kaum jemand widersetzen konnte. „Mein kleiner und sein Mensch brauchen Ruhe.“ Und so schliefen Afsgard und Tosamiel zum ersten Mal seit einer Ewigkeit eine Nacht in weichen Betten. Entsprechend tief und fest war ihr Schlaf und sie ruhten in Morpheus Armen bis weit in den Morgen hinein. Als sie erwachten, harrte schon ein reiches und schmackhaftes Morgenessen ihrer hungrigen Mäuler und sie aßen sich satt und zufrieden. Auch wenn Afsgard versucht hatte abzulehnen, da er ja wusste, wie knapp Nahrungsmittel durch den Troll im Dorf geworden waren. Doch Tosamiels Mutter war niemand, der Gegenworte zuließ. Als sie gesättigt waren und ihre von der Nacht steifen Glieder ein wenig bewegt hatten, beschlossen sie, sie wollten dem Ungeheuer, welches das Dorf so belästigte, diesem finsteren Troll einmal einen Besuch abstatten. So liefen sie zum Oberhaupt des Dorfes und fanden in seiner Hütte viele Zwerge versammelt, welche gerade über Tosamiels gestrige Pläne, den Troll zu beseitigen, stritten. Sie sahen alle recht furchtsam und ratlos drein. „Haltet ein“ sprach Afsgard und hob die Hände um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Spart euch eure Sorgen für eine spätere Zeit. Erst wollen wir einmal diese Kreatur in Augenschein nehmen.“ Und so wurde ihnen der Weg zu den Minen und der Weg durch die Mine zum Nest des Trolls beschrieben. „Nungut. Tosamiel und ich werden allein gehen“ sprach der Alte „das vermindert zum einen die Gefahr einer Entdeckung, und doch sind wir fähig, uns gegenseitig den Rücken zu decken.“ Dieses gefiel den Zwergen ganz und gar nicht und so einigte man sich darauf, die beiden bis zu dem Eingang der Minen zu begleiten. Als sie bei dem Stollen angelangt waren, wurde der Magus vom Oberhaupt gefragt: „Ihr seid sicher, es zu zweit zu versuchen sei eine gute Idee?“ Bestimmt nickte der Graue. „Nungut, und ihr findet den Pfad hinunter?“ „Sicherlich. Ihr habt uns eine wahrhaft gute Beschreibung geliefert. Außerdem ist mein Begleiter ein Zwerg, und diesen ist nun einmal die Orientierung unter dem Berg in die Wiege gelegt.“ Mit diesen Worten drehte der Magus sich um und lief in die Mine. Tosamiel folgte ihm und bald waren die Beiden im Dunkel des Schlundes verschwunden. Nur ein leiser werdendes Echo eines Tok-Tok vom Stab des Zauberers war noch zu vernehmen. Tosamiel schritt hinter Afsgard her, welcher scheinbar genau wusste, wo er entlang schreiten musste und die Hilfe eines Zwerges nicht benötigte. Verwundert stellte er fest, dass der Stab des Magiers einen blauen Schimmer aussandte, mit dessen Hilfe dieser bestens in die Dunkelheit sehen zu vermögen schien. So liefen sie nun schon eine halbe Stunde immer tiefer in den Berg hinein und alsbald vernahmen sie einen beißenden Geruch, der stärker zu werden schien. Sie hätten die Beschreibung des Weges nicht benötigt, sie konnten getrost ihren Nasen folgen. Kurz darauf zeichnete sich ein roter Schimmer weiter hinten im Stollen ab und als sie dann vorsichtig um die Ecke herum lugten, sahen sie eine höhlenartige Erweiterung des Stollens vor ihnen. Sie hatte außer dem Stollen, in dem sie standen, keinen weiteren Zugang. In ihrer Mitte glimmten die letzten Reste eines Feuers und es lag eine Menge Gerümpel und Unrat herum. Verbogenes und zerstörtes Werkzeug, Knochen und die Reste einiger Mahlzeiten. In einer Ecke lag ein riesiger, seltsam verdrehter Berg aus Fleisch und Borsten und sie erkannten nicht sofort, was es war. „Der Troll, er schläft“ meinte Tosamiel. „Ja, das tun sie gerne und viel. Es ist ein Felsentroll, ich dachte es mir“ wisperte Afsgard „Es ist eine alte Trollrasse von gleichermaßen erschreckender Kraft wie Dummheit. Das erleichtert die Sache.“ Und wie zu sich selbst murmelte er „Allerdings werden meine Magischen Fähigkeiten von wenig Nutzen sein.“ Dann wandte er sich wieder dem Zwerg zu. „Ich habe genug gesehen, lasst uns zurückkehren.“ Und so machten sich die Beiden auf den Weg zurück ans Tageslicht. Unterwegs ließ Afsgard seinen Blick über die Stollenwände schweifen, blieb immer wieder stehen und brummte vor sich hin. Oben angelangt sprach er zu dem fragend blickenden Dorfführer: „Versammelt jeden Zwerg des Dorfes, welcher fähig ist zu laufen und einen Knüppel zu halten in eurem Haus.“ Und ohne ein weiteres Wort schritt er zurück ins Dorf. Fragend blickte der Führer nun Tosamiel an, welcher nur unwissend die Schultern zuckend anhob. So folgten sie und der Rest der Zwergenschar dem Grauen. Nachdem Afsgard kurz seinen Beutel geholt und Tosamiel angewiesen hatte, ihm gleichzutun und auch seine Axt nicht zu vergessen, ging er mit dem Wicht in die Hütte des Häuptlings. Dort fand er schon das ganze Dorf nebst Frauen und Kindern versammelt und fast ein jeder hatte sich auf irgendeine Weise bewaffnet. Die Art der Waffen reichte von Hausmessern über Beil und Forke bis hin zum rostigen, schartigen Schwert aus Großvaters Habe. „Nungut Zwerge, hört mich an“ sprach der Magus und ließ dadurch aus dem aufgeregten Gequassel und Geschnatter eine angespannte Stille werden „Das Ungeheuer in euren Minen ist ein Felsentroll. Eine blutrünstige, aber zum Glück äußerst dumme Rasse. Und er schläft. Er wird sicherlich noch einen Tag oder mehr schlafen, das gilt es zu nutzen. Also hört meinen Plan.“ Alle Augen waren gebannt auf den Magus gerichtet und strahlten voller Tatendrang. „Ich schlage vor, wir locken ihn aus seinem Nest. Dies könnte Tosamiel tun, wie ich selber weiß, ist er äußerst flink auf den Beinen. Also, mein Freund, du schleichst dich in seine Nähe und verursachst mit deiner Axt Geräusche, als wolltest du das Erz aus dem Fels schlagen. Das wird er nicht lange aushalten können. Sobald er Dich entdeckt hat und dich erwischen will, flüchtest Du den Gang entlang zurück. Wenige hundert Ruten später ist eine Nische im Stein. Dort werde ich harren. Ich werde mit meinen Kräften nicht viel ausrichten können, da Felsentrolle recht widerstandsfähig gegen Magie sind. Jedoch wird es mir sicher gelingen, ihn zu schwächen und zu verwirren, so dass er nicht mehr fähig ist zu denken. Du lockst ihn dann weiter aus dem Stollen hinaus. Nach kurzer Zeit kommt eine erweiterte Höhle, in der über der Einmündung des Ganges ein altes Gerüst steht. Dort verbergen sich einige kräftige von euch Zwergen und werfen dem Ungetüm einen Felsbrocken auf sein Haupt, so dass es zu Boden geschmettert wird und, so hoffe ich, das Bewusstsein verliert. Bei so wenig Geist sollte es ein Leichtes sein, diesen auszuschalten. In einem Nebenschacht wartet eine Schar mit Stricken und Seilen, um den Troll zu fesseln. Dann zerren wir ihn aus den Minen und erteilen ihm eine gehörige Lehre, so dass er über alle Berge fliehen wird. Sollte dieser Versuch fehlschlagen, so müssen wir dafür sorgen, dass das Ungeheuer weiter hinausrennt und am Eingang der Minen können wir den gleichen Vorgang noch einmal versuchen, da sich über dem Zugang ebenfalls eine Schar verbergen kann.“ „Warum bringen wir dem Monster keine endgültige Lektion bei und nehmen ihm sein Leben?“ rief ein stämmiger, finster dreinschauender Zwerg. „Es hat bis jetzt noch einem jeden geschadet, einen Troll aus Rache zu töten“ antwortete der Graue „Wir sollten es meiden, so es geht. Aber ihr seid kräftig gebaut, werter Zwerg, ihr solltet den ersten Fels werfen.“ So besänftigt nickte der Zwerg mit stolz geschwollener Brust und gab sich zu frieden. „Ist es verstanden?“ fragte Afsgard und blickte in die Runde. „Gut. Dann lasst uns beginnen. Es ist viel zu tun.“ Und mit diesen Worten brach die ganze Schar zu den Minen auf. Dort angelangt wurden zwei Felsbrocken aus dem Gestein geschlagen, wovon der erste mit Seilen auf einen Sims über dem Mineneingang gehievt und der zweite in den Stollen hineingerollt wurde. Nun schickte der Magier eine Truppe hinaus auf den Felsvorsprung. Einer sagte er die Seile aufzunehmen und etwas tiefer in dem Seitenstollen zu verschwinden. Die übrigen Zwerge schickte er auf das Gerüst. „So Krieger, gehen wir es an. Aber werft den Brocken genau auf den Schädel des Ungetüms, sonst wird es nicht gelingen. Ich werde euch ein wenig tarnen, aber lasst keinen Laut hören.“ Und bevor die Zwerge ihr Entsetzen darüber äußern konnten, hatte Afsgard seinen Stab erhoben und ein paar Worte gemurmelt und die Truppe von Zwergen schien mit dem Fels zu verschmelzen und war schlussendlich nurmehr zu entdecken, wenn einer wusste, wo sie standen. „Und rührt euch nicht, sonst löst sich eure Maskierung wieder auf“ mahnte der Magus. Er blieb einen Moment kurz stehen, drehte sich um und blickte Tosamiel an, welcher als einziger noch übrig geblieben war. „So Freund, nun ist es an uns“ sagte er und stapfte hinein in die Finsternis des Stollens Der Zwerg folgte ihm. Nach kurzem Weg drückte sich Afsgard in eine Felsspalte und nach ein paar gemurmelten Worten war er ebenfalls kaum zu entdecken. Tosamiel schluckte einen Klos im Hals herunter und schritt langsam weiter. Er konnte den Troll bereits riechen. Nach wenigen Schritten, die ihm jedoch wie eine Ewigkeit vorkamen, erreichte er die Wohnhöhle des stinkenden Ungetüms. Mit einigen vorsichtigen Blicken um die Ecke vergewisserte er sich, dass der Troll noch immer schlummerte. Sein Herz pochte ihm bis zum Hals. „Wenn das nurmal gut geht“ murmelte er und griff seine Axt. Bereit, sie auf den Fels zu schlagen und gehörigen Krach zu verursachen. In der Felsnische vernahm Afsgard das metallische Pling-Pling der Zwergenaxt auf den Steinen. „Es geht los“ murmelte er und war sich sicher, dass die Geräusche von den Anderen ebenfalls vernommen worden waren.“ Gemächlich steht der Gorz auf. „So, es ist spät und es wird wahrlich Zeit für Euch, dass ihr nach Haus kommt, Kinder“ sagte er in die Runde. Ein lautes, vielstimmiges „NEIN“ aus sämtlichen Kinderkehlen hallt ihm entgegen. „Du MUSST weiter erzählen!“ schreit der Junge namens Jekub ihn fast an. „Ja, erzähl weiter!“ rufen die Kinder um ihn herum. „Nungut, aber ihr tragt die Schuld, sollten eure Eltern euch schelten“ sagt der Alte und setzt sich mit dem Hauch eines zufriedenen Lächelns auf den Lippen erneut. „Nun denn, Tosamiel hatte die ersten Schläge mit seiner Axt gemacht und es währte nicht lange, da vernahm er ein Rumpeln und Poltern aus der Höhle. Der Troll war aufgewacht. Offensichtlich sortierte er gerade seine Glieder. Munter hackte Tosamiel weiter und dann vernahm er das dumpfe Grollen schwerer Schritte. Kurz darauf hörte er einen abstoßenden, tief grollenden Schrei und der Gestank verbrannter Haare lag in der Luft. Da kam der Troll um die Ecke. In einer Faust hielt er einen Morgenstern. Dann sah er den Zwerg. Ein fürchterliches Gebrüll erhob sich. Doch Tosamiel bemerkte es nicht. Er hatte seinen Blick auf den linken Fuß des Trolls gerichtet, dessen Borsten versengt waren und aus dessen Fell noch Qualm quoll. Tosamiel lachte schallend auf. Dieses Ungetüm musste wahrlich ein Gehirn wie eine Traube so groß haben. Es war in sein eigenes Feuer getreten! Vor lauter Lachen vergas der Zwerg beinahe loszulaufen. Denn das Ungetüm war nicht nur ungeheuer dämlich sondern auch ungeheuer schlecht gelaunt und inzwischen gefährlich nahe gekommen. So flink ihn seine stämmigen Füße tragen konnten, lief Tosamiel los und hinter ihm ertönte das Wumm-Wumm der schweren Schritte des Monsters. Und sein widerliches Grummeln und Fauchen. So rannte der Zwerg einen Augenblick, welcher ihm wie ein Grossteil seines Lebens vorkam, als er plötzlich ein zischendes Geräusch vernahm. Als er über die Schulter zurück blickte nahm er ein seltsames Funkeln um das Haupt des Ungetüms wahr. Der Troll blieb ratlos stehen und schwankte von rechts nach links. Der Ausdruck seiner Züge war noch mehr von Dummheit geprägt als vorher, so dieses denn überhaupt möglich war. Hinter dem Monstrum stand der graue Magus mit erhobenem Stab und rief: „Lauf einfach weiter, lauf!“ Derweil hatte der Troll in Ermangelung der Fähigkeit, die neue Situation zu bedenken, scheinbar beschlossen, sein ursprüngliches Ziel zu verfolgen und fiel wieder in seinen Trott dem Zwerg hinterher, welcher sich glücklicherweise den Worten des Magiers angenommen hatte und wieder davon eilte. So rannte Tosamiel durch die Stollen, gefolgt von dem gehirnlosen Monster, welches immer wieder an die Stollenwand stieß ohne es zu merken, und hintendrein der Magier. Alsbald erreichte Tosamiel die Höhle und winkte mit seiner Axt um die Zwerge in Bereitschaft zu setzen. Kurz darauf erreichte der Troll die Höhle, doch er blieb verdutzt stehen und man sah sichtlich, dass sein Geist versuchte, die Umgebung zu erfassen und dann hoffnungslos versagte. Da fing Tosamiel an, den Troll anzurufen und zu necken: „Hier bin ich, fang mich doch, geistloses Biest!“ und der Troll setzte sich erneut in Bewegung, hinein in die Höhle. Angespannt starrten die Zwerge auf dem Gerüst in die Tiefe. Sie vernahmen die polternden Schritte des Monstrums und dann erschien der Kopf. „Hau-Ruck!“ rief eine Zwergenkehle und sie wuchteten den Felsbrocken über den Rand. Dieser Fels wackelte und kippte und fiel in dem Augenblick, als der Troll genau darunter stand. Doch während er fiel, taumelte das Ungetüm zur Seite und der Brocken traf nur dessen Schulter. Polternd und krachend fiel der Stein zu Boden, hinein in die entsetzte Stille. Erstaunt und verwirrt blieb der Troll erneut stehen. Er versuchte krampfhaft zu denken. Von dem Gerüst hinunter war ein vielfarbiger Fluch aus zahlreichen Zwergenkehlen zu vernehmen. Langsam drehte sich das Ungeheuer um und wollte scheinbar zurück schreiten. Wieder rief Tosamiel das Monster an: „Hast du schon genug? Fürchtest du mich? Komm her und kämpfe!“ Doch diesmal machte das Ungetüm keine Anstalten erneut den Zwerg zu jagen. Plötzlich war jedoch der Stollen hinter dem Troll von einem Feuerwerk an Blitzen aller Farben, Feuerbällen und lauten Explosionen erfüllt. Der Magier zeigte all sein Können. Das war scheinbar zuviel für das einfache Gemüt des Monstrums und es beschloss, doch seine erste Tat fortzuführen und folgte Tosamiel. Sobald der Zwerg mit dem Troll im Schlepp im nächsten Gang entschwunden war, rief Afsgard zu den Zwergen hinauf. „Kommt herunter und eilt ebenfalls hinaus. Holt auch die Schar mit den Seilen. Vielleicht brauchen wir einen jeden Mann. Wir haben nur noch eine Möglichkeit!“ Und schon war der Magus ebenfalls im Stollen entschwunden. So jagte Afsgard wieder den Troll, welcher wiederum Tosamiel jagte. Nach einer kleinen Ewigkeit erreichte Tosamiel den Ausgang der Minen. Es wurde höchste Zeit, denn lang konnten seine Beine ihn nicht mehr tragen und er war schon langsamer geworden. Dieses Ungetüm war erstaunlich flink und derweil bedrohlich nahe gekommen. Plötzlich spürte Tosamiel Gras unter seinen Füßen. Verzweifelt rief er: „Er kommt, der Troll kommt!“ Auf dem Felssims machten sich die Zwerge bereit. Sie starrten gebannt nach unten. Dann hörten sie die polternden Schritte des Monstrums. Kurz darauf erschien sein Haupt. Geschickt stießen die Zwerge den Stein über den Rand. Polternd rollte dieser los und stieß in seinem Flug zweimal krachend gegen die Felswand. Er flog weiter. Flog und flog und landete genau auf dem Schädel des Ungeheuers, wo er krachend in zwei Teile zerbarst und nach links und rechts davon sprang. Äußerst überrascht blieb der Troll stehen, verweilte eine Weile ratlos um dann langsam wie ein Blatt im Wind umzufallen und krachend wie eine gefällte Fichte auf den Boden aufzuschlagen. Jubelnd und schreiend sprangen die Zwerge von dem Felsvorsprung herab und gröhlend kam die andere Schar aus dem Stollen geeilt und sie stürzten sich auf das Ungetüm und prügelten darauf ein und verzurrten und fesselten es schlussendlich. Über den Tumult hinweg erhob sich plötzlich Afsgards Stimme. „Wo ist Tosamiel?“ Der Magus trat aus dem Ausgang der Mine hervor, wo er verweilt hatte, um die Geschehnisse zu verfolgen. Verwundert und ratlos sahen sich die Zwerge gegenseitig an. Auf einmal rief ein jüngerer Zwerg: „Hier liegt er. Er ist nicht mehr bei Bewusstsein.“ Entsetzt eilte der Graue dorthin. Dort lag der Zwerg einige Schritte vor dem Troll im Gras. Er hatte eine recht große Wunde auf dem Rücken. „Das umstürzende Monster hat ihn mit seinem Morgenstern erwischt“ sagte Afsgard und beugte sich über den Wicht. Bedächtig betrachtete er die Wunde und sagte: „Es ist ernst, aber nicht bedrohlich.“ Dann richtete er sich auf und überblickte die Szenerie, welche sich ihm darbot. Sein Blick richtete sich auf den Anführer. Bedächtig sprach er: „Ich denke, ihr habt die Geschehnisse im Griff, Zwergenführer. Der Troll ist gefangen und stellt keine Gefahr mehr dar. Erteilt ihm mit euren Knüppeln und vielleicht ein wenig Feuer eine Lektion, die er nicht vergessen wird und dann jagt ihn fort. Ich nehme zwei eurer Leute und bringe Tosamiel ins Dorf. Seine Wunde muss versorgt werden. Er war heute sehr tapfer und hat es verdient, das wir um ihn sorgen.“ Und so machte sich der Zauberer mit seinem leblosen Gefährten auf den Weg ins Dorf. Dort eilte ihnen bereits Tosamiels Mutter entgegen. „Oh Vater, was ist mit meinem Jungen? Ist er tot? Ich hatte ihn doch gerade erst wieder!“ „Keine Sorge“ sprach der Graue „Euer Sohn wird leben.“ Und sie trugen den Verwundeten in die Hütte, wo sie ihm ein Lager bereiteten, sein Wunden säuberten und verbanden. Dann machte sich Afsgard auf, in den umliegenden Wäldern ein paar Kräuter zu suchen. Als er zurückkehrte, fand er Tosamiel erwacht. Er berichtete dem Wicht den Ausgang des Kampfes und dieser freute sich mächtig. Dann wusch er dessen Wunden und verband sie erneut. „Und dich bekommen wir ebenfalls wieder auf die Beine, Freund“ sprach er zu dem Zwerg. In diesem Moment vernahmen die beiden im Wohnraum Stimmen und erfreute Rufe, kurz danach flog die Pforte zur Kammer auf und der Dorfführer stand in der Tür. „Hier seid ihr zu finden, Magus“ rief er aus „Wie geht es unserem Tapferen Zwerg?“ „Nun, die Wunde sitzt nur im Fleisch, er sollte bald genesen. Wie steht es um den Troll?“ „Das erfreut meine Ohren. Um das Ungeheuer macht euch keine Sorgen, Gelehrter, es wird uns kaum mehr belästigen können.“ Sprach der Zwerg und lachte dabei schallend. „Habt ihr es etwa getötet“ rief der Magier wutentbrannt und sprang zornig auf. „Beruhigt euch“ lachte sein Gegenüber „Es hat sich selbst gerichtet. Wir verprügelten und schlugen und versengten es und jagten es schlussendlich fort. Doch in seiner wahrhaft kopflosen Flucht rannte es davon und prallte gegen die nächste Eiche, die mächtigste der Umgebung. Dabei brach es sich sein Genick und sackte leblos zusammen. Es sind wahrhaft geistlose Ungeheuer.“ Schallend lachte der Zwerg. Tosamiel und Afsgard lachten ebenfalls. „Ja das sind sie in der Tat“ meinte der Magus „Ein Wunder, dass es dennoch welche von ihnen gibt.“ „Außerdem fanden wir in der Höhle viele unserer Werkzeuge und Waffen. Ein Großteil ist noch in gutem Zustand. Auch fanden wir dort eine Menge Nahrungsmittel. Und auch wenn wir einen Teil fortwerfen müssen, so haben wir mit unserer diesjährigen Ernte mehr als genug für den Winter und danach“ erzählte der Anführer. „Daher wird es heute Abend ein Festmahl zu euren Ehren und den Ehren dieses tapferen Zwerges geben.“ Afsgard nickte dankbar und antwortete: „Welch große Ehre, doch Tosamiel braucht Ruhe und ich denke, ich werde bei ihm verweilen. Habt dank.“ „Nun, auch Verwundete mögen speisen, so werde ich etwas bringen lassen. Ich muss fort, es ist zu tun“ sprach der Zwerg und entschwand zur Tür hinaus. So wachte Afsgard die ganze Nacht über Tosamiel, welcher nach den üppigen Speisen eingeschlafen war. Die ganze Nacht wurde der Wicht von Fieberträumen geplagt und besorgt betrachtete der Magier seinen Gefährten. Am nächsten Morgen, als Tosamiel erwacht war, versorgte der Graue die Wunde erneut. Sie war inzwischen schwarz geworden und lief an ihren Rändern grün aus. Tosamiels Blick war glasig und starr. Besorgt brummte Afsgard vor sich hin. „Ist etwas?“ fragte der Zwerg den Magier. „Nein, nein“ antwortete dieser „schlaf ruhig noch etwas, es wird dir gut tun.“ Dann verließ er die Kammer und eilte in das Haus des Häuptlings. „Sagt, könnt ihr mir die Waffe des Trolls zeigen?“ fragte er diesen. „Gewiss, ich lasse danach schicken.“ Kurz darauf hielt Afsgard den verrotteten Morgenstern in seinen Händen. Bedächtig drehte er ihn immer wieder und brummte dabei nachdenklich. Dann strich er mit einem Blatt über die Klingen, betrachtete dieses und sprach: „Ich dachte es, die Waffe ist vergiftet!“ Dann nahm er den Morgenstern und eilte wortlos zu Tosamiel zurück. Er hinterließ ein paar ratlose und betroffen schauende Zwerge. Zurück in der Kammer fand er die Mutter bei ihrem Sohn. „Euer Sohn ist sehr krank“ sprach er. „Ich weiß“ antwortete die Alte und drückte Tosamiels Hand. Dieser hatte die Augen geöffnet, schien aber nicht zu bemerken. „Ich werde tun, was ich kann“ versprach der Magus tröstend. „Ihr wollt Magie einsetzen?“ sprach die Frau entsetzt. Schwach drückte Tosamiel ihre Hand und starrte ins Leere. „Es ist in Ordnung, Mutter, ich vertraue ihm.“ Und so kümmerte sich Afsgard vier Tage und vier Nächte um den Wicht und die Zwerge bestaunten seine Magie. Zwerge verachten nämlich Magie, müsst ihr wissen.“ Der Gorz schaut in die Runde und ein kleines Mädchen antwortet ihm. „Aber es gibt doch Zwergenmagier“ widerspricht sie. „Die Geoden, du hast recht, Mara, aber es sind äußerst wenige und sie sind alt und weise und auch sie benutzen Magie nur, wenn es nicht anders möglich ist.“ Mit vor Erstaunen geweiteten Augen schaut das Mädchen den Alten an und wartet darauf, dass dieser weiter erzählt. „So kam es, dass Afsgard eine Art Zwergenspezialist unter den Magiern wurde und viele Zwerge seine arkanen Künste duldeten. Tosamiel gewöhnte sich so sehr daran, dass er sie oft nicht einmal mehr bemerkte. Afsgard pflegte nun Tosamiel, doch am fünften Tag sprach er mit dessen Mutter und dem Oberzwerg in der Wohnstube. „Tosamiel schläft“ sprach er „aber es sieht nicht gut aus. Ich kann nichts für ihn tun. Ich schaffe es, die Krankheit aufzuhalten, aber ich schaffe es nicht, ihn zu heilen. Das Gift der Waffe muss ein sehr altes gewesen sein, welches mir nicht geläufig ist. Wir müssen einen Heiler finden, welcher die alten Künste versteht.“ Betrübt schauten alle drei zu Boden. Nach einer Weile sprach Tosamiels Mutter: „Mein armer Junge. Aber vielleicht weiß ich etwas. Vor einiger Zeit hörte ich von einer Heilerin, welche ein paar Dörfer weiter gewesen sein sollte. Man nannte sie eine ‚Weiße Hexe’, sofern ich weiß.“ „Da habt ihr recht“ sprach der Dorfvorsteher „es war in Margix-Firn, zwei und eine halbe Tagesreise von hier. Es war jedoch sicher vor zwei Monden, dass ich davon hörte.“ „Mmh, weiße Hexe?“ brummte Afsgard „das klingt genau nach dem, was wir benötigen. Nun, es ist die einzige Hoffnung, die wir haben. Wir brechen morgen auf.“ „Gut, ich stelle einen Trupp zusammen“ sprach der Führer. „Nein“ widersprach der Graue „ihr könnt nicht helfen und hier wird jede Hand benötigt. Auch wissen wir nicht, wie lange die Reise dauern wird.“ Zustimmend nickte der Zwerg. „Stellt mir nur ein kräftiges Pony zur Verfügung und baut eine Schleifbahre, die es ziehen kann. Außerdem packt mir bitte etwas Proviant, Bandagen und diese Kräuter ein, welche ich euch zeigte. Vergesst auch nicht die Waffe des Trolls, sie könnte für einen Heiler von Wichtigkeit sein.“ „Das ist das Mindeste, was wir tun können. Eure Wünsche sollen euch erfüllt werden, Magier“ sprach der Anführer und verschwand. Afsgard sah noch einmal nach Tosamiel und legte sich dann auch Schlafen. Er würde Kraft für die bevorstehende Reise brauchen. In der Nacht schlich Tosamiels Mutter zu ihrem Sohn ans Bett und ergriff seine Hand. „Mutter?“ murmelte dieser fragend. „Oh, du bist wach. Wie geht es dir, mein Sohn?“ „Ich fühle mich besser, als es scheint. Es wird werden.“ „Oh, sicher wird es das“ sprach die Mutter zuversichtlich „Sprach Afsgard zu dir?“ „Ja Mutter. Ich fürchte mich, von dir fort zugehen.“ „Ach mein Junge, es soll so sein. Du bist immer der Geschickteste meiner Kinder gewesen. Deine Brüder waren fleißig, aber sie hatten nicht dein Talent. Sie werden gut für mich sorgen. Du wirst ein großartiger Schmied, mein Sohn“ sprach sie mit tröstendem Lächeln. „Aber dazu musst du hinaus aus dem Dorf, es war immer dein Schicksal.“ Sie wühlte in den Taschen ihres Rockes. „Hier, nimm dies. Es ist der Hammer deines Vaters, er wird dir sicher gute Dienste leisten. Du wirst ein erfolgreicher Zwerg mit großem Namen und zum Stolz und Ruhme des Dorfes gereichen, mein Sohn.“ Sie drückte Tosamiels Hand feste, erhob sich und wollte gehen. „Aber wer weiß, wann ich erneut bei dir sein kann, Mutter?“ In der Tür drehte sie sich um und sprach „Ich bin deine Mutter, ich bin immer bei dir.“ Und im der Schein des Mondes funkelte in ihren tränenfeuchten Augen wider. „Gute Nacht, mein Sohn, schlaf jetzt. Du wirst es brauchen“ sprach sie und verließ den Raum. Am nächsten Morgen war alles für die beiden Gefährten gerichtet wie der Magier es gewünscht hatte und das ganze Dorf war zu ihrer Verabschiedung gekommen. „Wir werden euch auf ewig dankbar sein. Fahrt wohl!“ sprach der Oberzwerg. Wortlos nickte Afsgard, nahm die Zügel des Ponys und führte es hinfort. Matt winkte Tosamiel von seiner Bahre zum Abschied. So machten sich die beiden Freunde auf, um Genesung für den kranken Zwerg zu finden.“ „Wird Tosamiel wieder gesund?“ fragt die kleine Ranira. „Aber sicher doch, Zwerge sind wahrlich robuste Naturen“ sagt der alte Gorz tröstend. Erleichtert lehnt sich Ranira wieder zurück und lauscht aufmerksam weiter. „So reiste Afsgard durch die Wälder, an der Hand das Pony, welches die Bahre des kranken Tosamiels zog. Zur Beruhigung des Magiers schlief der Zwerg die meiste Zeit und es war ein ruhiger und erholsamer Schlaf. Auf diese Weise waren sie zwei Tage und, unterbrochen von wenigen Pausen, zwei Nächte den Pfaden, welche ihnen der Führer von Tosamiels Heimatdorf beschrieben hatte, gefolgt und am Abend des dritten Tages sahen sie am Horizont Rauch aus den Schornsteinen aufsteigen. „Welch Glück“ murmelte Afsgard zu sich „ich dachte schon, wir seien vom rechten Pfad abgewichen.“ Und mit diesen Worten zog Afsgard an den Zügeln des Zwergenponys um weiter auf die Niederlassung zuzuschreiten. Als sie im Dorf anlangten, erregten sie großes Aufsehen unter den Kindern. Bald darauf erschienen dann die ersten Bewohner, welche durch die aufgeregten Kinder herbeigeholt worden waren. „Seid mir gegrüßt, Fremder“ sprach ein stämmiger Zwerg den Magus an „Ihr bietet ein seltsames Bild, was kann ich für euch tun?“ Afsgard überhörte diese deutlichen Worte des Misstrauens und antwortete höflich: „Wohl euch und eurer Sippe. Sagt, ist dies Margix-Firn?“ „Ja, das ist es. Ich bin das Oberhaupt des Dorfes. Wie ist euer Begehr?“ „Nun, ich komme aus einem kleinen Dorf am Fuße der Berge und ich bin auf der Suche nach einer Heilerin, welche man auch ‚weiße Hexe’ nennt. Ich hörte, sie weile bei euch.“ Verstehend nickte der Zwerg. „Ihr habt richtig gehört, sie weilte hier. Aber es sind Monde vergangen seitdem. Jedoch haben wir auch einige, die es durchaus verstehen, eine Wunde zu heilen.“ „Das mag ich nicht bezweifeln“ antwortete der Magus „Doch leider wird es mir wohl kaum nützen.“ Und der Graue erzählte in kurzen Worten die gesamten Geschehnisse. Als er fertig war, sprach der Dorfführer: „Ich sehe eure Lage und bedaure wahrlich sehr, dass ich nicht von großem Nutzen sein kann. Der Führer des Dorfes, von welchem ihr sprecht, ist ein entfernter Vetter von mir. Aber seid unser Gast und erholt euch von der Reise.“ Der graue Magier lachte herzhaft. „Ich finde es immer wieder erneut erfrischend, wie sehr ihr Zwerge die Familie schätzt. Habt dank für euer Angebot. Aber unsere Reise muss weitergehen, es steht nicht gut um meinen Gefährten und sie Zeit spielt gegen uns, so dass ich nicht verweilen kann. Aber sagt mir doch, in welche Richtung die Heilerin entschwand und wo sie vielleicht zu finden ist.“ Der Dorfvorsteher erzählte Afsgard, was er über den Verbleib der Heilerin wusste und überredete ihn schlussendlich, wenigstens auf ein Nachtmahl zu bleiben. So kam es, dass Afsgard mit dem verwundeten Tosamiel wieder zu Beginn der Nacht aufbrach, bepackt mit frischem Proviant, den die Zwerge ihm mit Nachdruck angeboten hatten. „Ihr werdet bald in Gemarkungen gelangen, in denen Menschen hausen, alter Mann. Seid auf der Hut, Menschen sind bei weitem nicht so ehrlich wie die Zwerge. Man weiß selten, woran bei ihnen ist“ riet der Zwerg. „Ich habe selbst so manche Erfahrung mit ihnen gemacht, die mich an Vorsicht ermahnen wird. Habt Dank für eure Mühen“ sprach Afsgard und verbeugte sich. Dann verschwand er in Richtung des Waldes, die Zügel des Ponys, welches Tosamiel trug fest im Griff. So zog Afsgard weiter durch die Wälder von Dorf zu Dorf und immer wieder wiederholte sich das Schauspiel aus dem Zwergendorf. Die Heilerin war dort gewesen, jedoch jedes Mal schon seit langem fort, wenn die beiden Gefährten das Dorf erreichten. Dennoch brachte Afsgard nach und nach mehr und mehr in Erfahrung über die Frau. Sie wurde Claire gerufen und verstand sich auf die Heilkunst, vor allem auf diejenige, welche Wunden von den Waffen des Dunklen und Bösen betraf. Der Magier war sich sicher, dass diese Kundige der Heilkunst ihnen helfen können würde. Außerdem begannen sie, die umherziehende Frau einzuholen. Waren es zu Beginn ihrer Reise mehrere Monde gewesen, die vergangen waren, seit die Heilerin das Zwergendorf verlassen hatte, so war sie im letzten Dorf, in dem sie fragten, noch vor einigen Wochen gewesen. Tosamiels Zustand jedoch war bedrohlich geworden. Er erwachte kaum mehr, und wenn er es tat, so war sein Blick glasig und auf seiner Stirn stand kalter Schweiß. Sein Schlaf war derweil unruhig geworden und immer öfter schien er von Alpdrücken gegeißelt. Der Magier machte sich wahrhaft große Sorgen um seinen kleinen Gefährten. Er hatte von einem Wanderer, dem sie begegnet waren, erfahren, dass unweit ihres jetzigen Ortes ein Dorf gelegen war. Jenes Dorf, von dem er gehört hatte, dass Claire die Heilerin dorthin gezogen sein sollte. Besorgt um den Zwerg beschloss der Magier, allein zu diesem Dorf zu wandern und Tosamiel zurückzulassen. So suchte er nach einer entlegenen, verborgenen Stelle wo er dem Gnom in einer Felsnische ein Lager aus Moos und Gräsern bereitete, ein Feuer entzündete, welches ihm Wärme spenden sollte und das Pony anhobbelte, so dass es ein wenig grasen konnte. Dann packte er Stab und Tasche und machte sich auf in Richtung des Dorfes. Dort angekommen fand er eine verrottete Umfriedung vor und durchschritt diese. Das Dorf, nunja, es war mehr eine Ansiedlung ohne Struktur, machte einen jämmerlichen Eindruck. Die Straßen waren ausgetreten und es lag überall Unrat herum. Die Häuser waren marode und brüchig. Und auf offener Straße war niemand zu sehen. Solche Ansiedlungen hatten sie in der letzten Zeit immer öfter angetroffen. Sie hatten die zivilisierten Gegenden der Berge und der Flüsse an deren Füßen verlassen und waren in Gefilde gelangt, in denen sich hauptsächlich raubeinige Holzfäller und Fallensteller und Streuner der unangenehmen Art herumtrieben. Aber dieses war sicherlich das schäbigste Nest, welches sie betreten hatten. Afsgard schaute sich um und entdeckte eine Taverne, aus deren Fenster Licht schien. Er marschierte darauf hinzu und trat hinein. Innen bot sich ein ähnlich erbärmliches Bild wie außen. Lauter raubärtige Menschen saßen beisammen, tranken und spielten. Bei dem Erscheinen des Magiers setze erdrückende Stille ein. Afsgards Blick glitt über die Anwesenden. „Entschuldigt, ich suche eine Heilerin. Man ruft sie auch ‚weiße Hexe’.“ Eine Frau erhob sich von einem der Tische. „So sucht ihr wohl mich“ sagte sie und schritt auf Afsgard zu. Für diesen Ort war ihre Erscheinung unangemessen gepflegt. In einer Stadt hätte man sie sicher dennoch als Weltenläuferin bezeichnet. Ihr Antlitz zeigte Anmut, ihre Haare waren rotbraun und schön, obwohl Damen bei Hofe dennoch ihre Nasen darüber gerümpft hätten. „So, nennt man mich derart?“ fragte sie Afsgard, als sie zu ihm trat. „Solltet ihr Claire die Heilerin sein, so ruft man euch so, Mylady“ antwortete dieser. Claire nickte. „Ich hörte davon, aber es geschieht selten, dass mich jemand damit anspricht“ lachte sie. „Eine Dame ruft man nun mal nicht Hexe, selbst dann, sollte es etwas gutes heißen, so wie hier. Doch mit wem habe ich die Ehre?“ „Verzeihung, Mylady. Afsgard nennt man mich“ sagte der Magus und verbeugte sich. „Und was kann ich für euch tun, Afsgard? Soll ich euren Schnupfen heilen, da ihr barfüssig herumlauft?“ Erstaunt schaute Afsgard an sich herunter und winkte ab. „Nun, mein Gefährte, ein Zwerg erlitt eine Wunde von der vergifteten Waffe eines Trolls. Es ist Wochen her und es steht schlimm um ihn.“ „Seid ihr denn fähig, mich zu entlöhnen?“ fragte die Heilerin. „Diese Barbaren lassen sich Kost und Unterkunft wahrlich reichlich entlohnen und sie drängen mich, meine Schuld zu begleichen“ fügte sie entschuldigend hinzu. „Nun, wir haben eine lange und ereignisreiche Fahrt hinter uns und unsere Geldsäcke sind leer. Aber ich gebe euch mein Ehrenwort.“ Die Heilerin lachte auf. „Seht euch um, alter Mann, denkt ihr, ein Ehrenwort sei hier etwas wert?“ Afsgard öffnete gerade den Mund um etwas zu antworten, da wurden sie jäh von einem groben Mann mit dreckigem Bart unterbrochen. „He Heilerin, kommt her und tanzt für uns. Es ist uns nach Kurzweil!“ Doch bevor Claire reagieren konnte, sprach Afsgard: „Mein Herr, zügelt euch. Die Dame redet gerade mit mir.“ „Oh Herrschaften, hier scheint ein aufbrausender Alter zu sein“ sprach der Barbar in die Runde und erhob sich, um auf den Grauen zuzuschreiten. „Was tragt ihr dort überhaupt für ein Kleid, alter Greis? Vielleicht wollt ihr für uns tanzen?“ lachte der Wilde unverschämt. „Dies ist eine Robe“ sprach der Magus gelassen. „Hört, eine Robe! Seid ihr denn ein Geistlicher, alter Greis? Dann segnet doch einmal meinen Stiefel mit einem Kuss“ sprach der Streithahn lachend und ließ seinen Blick kreisen über seine Gesellen, welche ebenfalls schallend lachten. „Lasst dem Herrn seine Ruhe, Sargik. Er tat euch nichts!“ stellte sich die Heilerin dazwischen. „Ach Weib, kümmert euch um euren Kram“ sagte der Fiesling, zerrte Afsgard am Ärmel und sprach: „Tanz für uns, Greis, das wird ein Spaß!“ Doch ehe er den Magus richtig greifen konnte, hatte dieser mit seinem Stab dem Wilden die Beine auseinander geschlagen, so dass dieser auf dem Hosenboden zu sitzen kam und dann dem Verdutzten so unter das Kinn geschlagen, das dieser über die Schulter nach hinten rollte. Ein paar der Wilden zogen ihre Schwerter und sprangen auf Afsgard zu. Doch der erste holte gerade zum Streich aus, als er von einem Blitz getroffen tot zu Boden sackte. Der Magier stand bedrohlich zu voller Größe aufgerichtet im Raum und hielt Stab und Hände erhoben. „Haltet ein!“ sprach er mit bedrohlicher Stimme und in der kurzen Zeit der erschreckten Stille griff er Claire die Heilerin am Oberarm und sagte: „Kommt, Mylady.“ Als die Beiden aus der Taverne traten und Afsgard sich in Richtung des Waldes wenden wollte, sprach Claire: „Halt, lasst mich zuerst meine Habe holen, sie ist in einer verlassenen Hütte am Rande des Dorfes.“ „Nungut“ antwortete der Magier „aber eilen wir uns, diese Barbaren werden nicht lange harren, bevor sie sich aufmachen, uns zu folgen.“ Und so liefen die Beiden zu Claires Unterkunft und rafften dort in aller Eile ihre Habe zusammen um daraufhin rasch im Wald zu entschwinden. Sie liefen vorsichtig und auf verschlungenen Pfaden zu Tosamiels Lager. Unterwegs sprach die Heilerin Afsgard an. „An eurem Gewand ahnte ich bereits, dass ihr den arkanen Künsten frönt, doch seid ihr ein Mann, vor dem man wahrlich Respekt haben sollte. Ihr versteht es, Stab und Magie zu nutzen.“ Dankbar nickte Afsgard lächelnd und sie eilten weiter. Nach einer Weile erreichten sie das Lager, wo der Graue Tosamiel zurück gelassen hatte. Sofort eilte Claire zu diesem und beugte sich über den Wicht. Er war schweißnass, schlief aber friedlich. Behutsam drehte sie ihn auf die Seite und hob den Verband, um die Wunde zu betrachten. „Mmmh“ murmelte sie „es ist ernst. Aber es ist nicht alle Hoffnung verloren. Habt ihr die Waffe, welche diese Wunde verursachte?“ Bejahend nickte der Graue und wickelte den Morgenstern aus einem Tuch um ihn der Frau zu reichen. Diese strich mit befeuchteten Fingern über die Klingen und probierte vorsichtig den Geschmack. Dann kramte sie suchend in ihrem Beutel und brummte dabei nachdenklich. Sie entnahm eine Viole aus ihrem Sack und tropfte etwas davon auf die Klinge. Sie betrachtete die Waffe eingehend. „Ich dachte es mir“ murmelte sie und holte ein paar Kräuter hervor, welche sie zerrieb und über der Glut des Feuers mit einer milchigen Flüssigkeit versetzte. Dabei richtete sie das Wort an den Magus. „Verzeiht mir, dass ich vorhin von Geld sprach, als es um einen Kranken ging. Aber ich befand mich in einer ausweglosen Lage und ahnte nicht, wie ernst es war. Ich drohte dort als Küchenmagd zu verkommen.“ „Verzeiht mir, dass ich euch in solch misslige Lage brachte“ antwortete der Grizzler. „Nun, ich bin froh, so elegant dort fort gekommen zu sein, ich muss euch danken, Magus.“ Lächelnd blickte sie Afsgard an. „Obwohl es mir leid tut, das es ein Leben kostete.“ „Dieser Wilde ist es nicht wert, dass man ihm nachtrauert“ meinte der Graue. „Ihr mögt Menschen nicht sonderlich?“ stellte Claire mehr fest als das sie fragte. „Ich komme ganz gut ohne sie aus“ antwortete er. Verstehend nickte die Heilerin und erhob sich, um den breiigen Trank dem Zwerg zu trinken zu geben. Dieser schluckte den Trank hinunter ohne dabei irgendein Anzeichen zu geben, dass er bemerkte, was um ihn herum geschah. Dann öffnete Claire den Verband und strich eine Paste aus Kräutern auf die Wunde, wonach sie diese wieder sorgfältig versorgte. „Für heute Nacht sind wir hier sicher“ meinte Afsgard und reichte ihr etwas von dem Proviant, welchen sie übrig behalten hatten. „Morgen allerdings müssen wir sehen, dass wir ein wenig Abstand zu diesen Wäldern erlangen.“ Stumm nickte die Heilerin und nahm den Proviant an. Schweigend aßen die Beiden nebeneinander und legten sich dann nieder um ein wenig Ruhe zu erhalten. Als sie am nächsten Morgen vom ersten Tageslicht geweckt wurden, fanden sie Tosamiel erwacht und auf den Beinen. „Es tut so gut, seine Glieder einmal wieder durcheinander zu würfeln“ sprach der Wicht auf ihre erstaunten Blicke hin. „Auch wenn es nur wenige Schritte sind, so fühle ich mich neu geboren.“ Bewundernd schaute Afsgard die Heilerin an und sprach: „Ihr lobtet gestern meine Magie. Nun ist es an mir, eure Künste zu loben. Was ihr vollbracht habt, grenzt an ein Wunder.“ Bescheiden nickte Claire zum Dank und dann machte der Magier sie mit dem Zwerg bekannt. Daraufhin packte er das Pony, bettete Tosamiel auf die Bahre und sie zogen davon. Es dauerte noch gut ein halbes Dutzend Tage, bis Tosamiel genesen war und mehrere Wochen, bis er erneut seine alte Kraft und Ausdauer erlangt hatte. Doch dann erfreute er die beiden Anderen mit seiner Energie und Lebensfreude. So kam es, dass Claire, Afsgard und Tosamiel zu Freunden wurden und ab der Zeit eine Heilerin, ein Magier und ein Zwerg gemeinsam über die Welt wanderten.“ Mit diesen abschließenden Worten steht der alte Gorz auf und beendet seine Geschichte. Die Buben und Mädchen um ihn herum strahlen ihn fröhlich an. „Was ist aus ihnen geworden?“ fragt die kleine Ranira. „Nun, Claire ist zu einer Heilerin geworden, wie eine selten so gut zu finden ist. Noch nie gab es einen Leidenden, dem sie nicht wenigstens Linderung verschafft hätte. Afsgard wurde ein großer Magier, der sich vor wenig zu fürchten hat und er lernte auch, mit Menschen ein wenig umzugehen. Und Tosamiel schließlich wurde ein großartiger und geschickter Schmied, der mit seinen Arbeiten dafür sorgt, das es dem Dreigestirn niemals an etwas mangelt.“ Zufrieden schaut der Gorz in die Runde. „Und wer weiß, vielleicht begegnet ihr ihnen ja eines Tages. So, nun aber heim mit euch, ihr kleinen Racker, eure Eltern harren sicher eurer!“ Und bei diesen Worten springen die Kinder auf und rennen in alle Richtungen des Marktplatzes davon. „Ich werde einmal Magier, so wie Afsgard!“ hört der Gorz sie rufen. „Ich werde einmal Heilern, dann befreie ich Vater von seinem Ischias.“ Seufzend schaut der Gorz ihnen hinterher, bis der platz still und leer ist. Dann nimmt er seinen Korb und will gerade los schreiten, als sich ein Mann hinter dem Brunnen erhebt. „Habt ihr dort die ganze Zeit über gesessen?“ fragt ihn der Alte. „Ich jätete dort Unkraut und dann hörte ich zu, ja“ antwortet der Angesprochene und zusammen schreiten sie über den Marktplatz. „Was erzählt ihr unseren Kindern nur für Schauermärchen, Gorz?“ spricht der Mann schmunzelnd. „Märchen? Wer weiß es, wer weiß…“ antwortete der Alte.

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